Exotisches Teilchen bestätigt

Tübinger Forscher: Bei Experimenten mit dem COSY-Beschleuniger Quarks im Sechserpack nachgewiesen

Über Jahrzehnte haben Physiker vergeblich nach exotischen Bindungszuständen gefahndet, die aus mehr als drei Quarks bestehen. Wissenschaftler der Universität Tübingen waren an einem Experiment am Jülicher Beschleuniger COSY beteiligt, das nun zeigt: In der Natur kommen tatsächlich derartige komplexe Teilchen vor. Ihre Erkenntnisse hat die WASA-at-COSY Kollaboration in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.  

„Die neuartige Resonanz, die wir beobachtet haben, zeigt, dass Quarks im Sechserpack tatsächlich existieren. Damit ist eventuell ein Tor zu neuen physikalischen Phänomenen aufgestoßen“, berichtet Professor Heinz Clement vom Physikalischen Institut der Universität Tübingen, der Sprecher der Arbeitsgruppe. Die Messungen bestätigen Ergebnisse aus dem Jahr 2011. Damals hatten die mehr als 120 Wissenschaftler aus acht Ländern erstmals starke Hinweise auf die Existenz eines exotischen Dibaryons aus sechs Quarks gefunden.  

Neuzugang im "Teilchenzoo": Physiker konnten lange Zeit nur zwei Klassen von Hadronen nachweisen: Baryonen und Mesonen (links in der Abbildung). Nun gelang am Jülicher Beschleuniger COSY die Bestätigung eines weiteren Bindungszustands bestehend aus sechs Quarks: dem Dibaryon (rechts oben in der Abbildung). Image Quelle: Forschungszentrum Jülich/SeitenPlan (CC BY 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/) (Click image to enlarge)

Neuzugang im “Teilchenzoo”: Physiker konnten lange Zeit nur zwei Klassen von Hadronen nachweisen: Baryonen und Mesonen (links in der Abbildung). Nun gelang am Jülicher Beschleuniger COSY die Bestätigung eines weiteren Bindungszustands bestehend aus sechs Quarks: dem Dibaryon (rechts oben in der Abbildung). Image Quelle: Forschungszentrum Jülich/SeitenPlan (CC BY 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/) (Click image to enlarge)

Lange Zeit konnten Physiker nur zwei verschiedene Klassen von Hadronen sicher nachweisen: flüchtige Mesonen, die aus einem Quark und einem Antiquark bestehen und Baryonen, die sich aus drei Quarks zusammensetzen. Zu letzteren gehören unter anderem die Protonen und Neutronen, aus denen die Atomkerne aufgebaut sind. In den letzten Jahren gab es jedoch vermehrt Hinweise, dass daneben noch weitere Arten von Hadronen existieren, beispielsweise „Hybride“, „Gluebälle“ oder „Multiquarks“.  Der Physiker Freeman Dyson hatte bereits 1964 erstmals solche komplexen Zustände vorhergesagt. Doch ein sicherer Nachweis blieb lange aus, kaum eine Messung ließ sich reproduzieren.  

Erst in der letzten Zeit hatten andere Forschergruppen unabhängig voneinander starke Indizien für schnelllebige exotische Teilchen aus vier Quarks – sogenannte Tetraquarks – gefunden. Mit dem nun bestätigten Bindungszustand, der 2011 erstmals entdeckt wurde, kommt noch eine weitere Klasse exotischer Teilchen hinzu. Die untersuchte Struktur ist extrem kurzlebig und ließ sich nur über ihre Zerfallsprodukte nachweisen. Der schnell vergängliche Zwischenzustand – Fachbegriff: Resonanz – existiert gerade einmal für die Dauer einer Hunderttrilliardstel („10 hoch -23“) Sekunde. Diese Zeitspanne ist so kurz, dass Licht darin gerade einmal eine Strecke zurücklegt, die dem Durchmesser eines kleinen Atomkerns entspricht. Offen ist die Frage, ob alle sechs Quarks zusammen ein gemeinsames Teilchen oder ein „hadronisches Molekül“ bilden. Eine solche Struktur wäre ähnlich wie viele Atomkerne aus mehreren Kernbausteinen aufgebaut – beispielsweise aus angeregten Protonen und Neutronen, die aber noch ungleich stärker aneinander gebunden sind.  

„Die Messungen, die wir 2011 an COSY durchgeführt haben, waren bereits sehr präzise. Doch weil die Experimente an keinem anderen Beschleuniger der Welt wiederholt werden konnten, mussten wir uns einen anderen Versuch einfallen lassen, um die Ergebnisse zu bestätigen“, erläutert Professor Hans Ströher, Direktor am Jülicher Institut für Kernphysik (IKP-2).  

Zum weiteren, eindeutigen Nachweis der exotischen Resonanz mit der Bezeichnung d*(2380)  haben die Wissenschaftler den relevanten Energiebereich in einem elastischen Streu-Experiment vermessen. Dabei beschossen sie ein Protonen-Target mit polarisierten Kernen des schweren Wasserstoffs, Deuteronen genannt. Der bei der Kollision hervorgerufene, exotische Bindungszustand beeinflusste den Winkel, in dem sich die Teilchen nach dem Zusammenstoß voneinander wegbewegen, und konnte so nachgewiesen werden.  

„Die Ergebnisse ordnen sich in ein größeres Bild ein. Wenn dieses Teilchen existiert, dann sind
theoretisch auch eine ganze Reihe anderer exotischer Zustände zu erwarten“, erklärt der Jülicher Direktor am IKP-1 Prof. James Ritman. Der Kernphysiker leitet den Jülicher Beitrag zum PANDA-Detektor am internationalen Beschleunigerkomplex FAIR in Darmstadt, mit dem solche exotischen Strukturen weiter erforscht werden sollen.

*Source: Universität Tübingen

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