Winzige Weltenbummler: In Arktis und Antarktis leben die gleichen Bakterien

Geowissenschaftler vergleichen die Mikroorganismen beider Polarregionen

Obwohl Arktis und Antarktis an entgegengesetzten Polen der Erde liegen, weisen sie eine ähnliche Diversität an Bakterien und Kleinstlebewesen auf. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Tübingen, des EMBL Heidelberg und der Universität Konstanz.

In einer Studie hatte das Forscherkonsortium von elf Einrichtungen Daten aus zahlreichen Studien und Standorten gesammelt, um erstmals die mikrobielle Diversität dieser beiden abgeschiedenen Regionen direkt zu vergleichen. Die Ergebnisse wurden im Open Access-Journal Frontiers in Ecology and Evolution veröffentlicht.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten die DNA der Bakterien aus Süßwasser-Biofilmen der terrestrischen Regionen der Arktis und der Antarktis anhand von Hochdurchsatzsequenzierung untersucht. Die beiden Erstautoren Dr. Julia Kleinteich vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen und Dr. Falk Hildebrand vom EMBL Heidelberg analysierten hierfür Proben, die Julia Kleinteich selbst auf der britischen Station Rothera der Antarktischen Halbinsel sowie auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen in der Arktis entnahm. „Trotz der großen geografischen Distanz beinhaltet die Bakteriendiversität teilweise die gleichen Arten“, ziehen sie Bilanz. „Einige Mikroorganismen haben also das Potenzial sich global, über Barrieren wie Ozeane hinweg, zu verbreiten.“

Die Tübinger Geowissenschaftlerin Julia Kleinteich nimmt Süßwasserproben in der Nähe der britischen Forschungsstation Rothera in der Antarktis. Foto credit: Daniel Farinotti

Die Tübinger Geowissenschaftlerin Julia Kleinteich nimmt Süßwasserproben in der Nähe der britischen Forschungsstation Rothera in der Antarktis. Foto credit: Daniel Farinotti

Die Mechanismen dafür seien noch unklar: Denkbar sei eine Verbreitung über die Atmosphäre oder durch Vögel und Menschen. Da man in Vergleichsproben aus gemäßigten Breiten auch schon Überschneidungen zu den polaren Mikroorganismen gefunden habe, handle es sich bei den Bakterien vermutlich um „Generalisten“, die in einem breiten Spektrum von Umweltbedingungen überleben könnten.

An den Polen fanden die Forschenden zusätzlich auch Bakterien, die ausschließlich in der jeweiligen Region vorkamen. „Der Anteil war in der stärker isolierten Antarktis größer, diese scheint eine teilweise einzigartige Diversität an Mikroorganismen aufzuweisen und ist daher besonders schützenswert“, sagt Kleinteich.

Die Erforschung der Verbreitungsmuster von Arten, die sogenannte Biogeografie, bringt Erkenntnisse dazu, wie Ökosysteme auf Umweltveränderungen wie beispielsweise den Klimawandel reagieren. Nach den aktuellen Ergebnissen sei zu erwarten, dass arktische als auch antarktische Mikroorganismen in gleicher Weise auf den Klimawandel reagierten, so die Wissenschaftler. „Dieser zeigt an den Polen bereits starke Auswirkungen durch eine Temperaturerhöhung teilweise über 0 Grad Celsius und eine Gletscher- und Schneeschmelze“, sagt Kleinteich. Während jedoch die Antarktis für Mikroorganismen noch Rückzugsraum biete, seien die Ausweichmöglichkeiten in der Arktis auch für kälteangepasste Säugetiere beinahe ausgeschöpft.

In weiterführenden Studien erforschen die Tübinger Geowissenschaftler derzeit Gletscherregionen in den Schweizer Alpen, die ähnliche klimatische Bedingungen wie die Polarregionen aufweisen. „Wir untersuchen, ob alpine Regionen als Inseln in der Verbreitung kälteangepasster Organismen dienen und ob der Klimawandel hier die Bakteriendiversität und damit deren Ökosystem verändert.“

Publikation:

Julia Kleinteich*, Falk Hildebrand*, Mohammad Bahram, Anita Y. Voigt, Susanna A. Wood, Anne D. Jungblut, Frithjof C. Küpper, Antonio Quesada, Antonio Camacho, David A. Pearce, Peter Convey, Warwick F. Vincent, Christiane Zarfl, Peer Bork and Daniel R. Dietrich: Pole-to-Pole Connections: Similarities between Arctic and Antarctic Microbiomes and Their Vulnerability to Environmental Change, Frontiers in Ecology and Evolution, www.frontiersin.org/articles/10.3389/fevo.2017.00137/full

*Source: Universität Tübingen

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