Vielfalt der Viren in Ozeanen dreimal höher als bislang bekannt

Wechselwirkung von Viren und Mikroorganismen entscheidend für Ökosystem

Ein internationales ForscherInnenteam unter der Leitung von Matthew Sullivan von der Ohio State University (USA) mit Beteiligung von Alexander Loy von der Universität Wien liefert einen wichtigen Beitrag zur Katalogisierung der genetischen Vielfalt der Viren in den Weltmeeren: Insgesamt fanden die WissenschafterInnen über 15.000 verschiedene Virustypen, dreimal mehr als bisher bekannt. Da diese Viren überraschend vielfältigen Einfluss auf die Meeresmikroben nehmen, die wiederum eine wichtige Rolle für das Ökosystem Ozean spielen, haben diese Wechselwirkungen zwischen Viren und Mikroben auch Konsequenzen für das Klima. Die Studie erscheint in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift “Nature”.

Viren sind gemeinhin als Erreger verschiedener Erkrankungen gefürchtet. Es ist in der Öffentlichkeit aber weitgehend unbekannt, dass die meisten Viren ausschließlich Mikroorganismen befallen. Mikroorganismen wiederum spielen eine wichtige Rolle für die Ökosysteme, in denen sie leben. Manche Mikroben produzieren Treibhausgase wie Kohlendioxid oder Methan, andere nehmen diese wieder aus der Atmosphäre auf. Diese mikrobiellen Prozesse liefern somit einen entscheidenden Beitrag zu den globalen Stoffkreisläufen und haben Einfluss auf das Klima. Wird ein Bakterium von einem Virus infiziert, ist dies fast immer schlecht für das Bakterium, weil es in seiner Funktion verändert wird, aber nicht zwangsläufig schlecht für das Ökosystem. So werden beispielsweise gefährliche Algenblüten in den Meeren oder in Seen mit großer Wahrscheinlichkeit durch Viren in Schach gehalten.

Der Mikrobiologe Alexander Loy liefert einen wichtigen Beitrag zur Katalogisierung der genetischen Vielfalt der Viren in den Weltmeeren (Foto credit: privat).

Der Mikrobiologe Alexander Loy liefert einen wichtigen Beitrag zur Katalogisierung der genetischen Vielfalt der Viren in den Weltmeeren (Foto credit: privat).

Die Genom-Enzyklopädie der Viren in den Weltmeeren wächst

Die Ergebnisse der nun vorliegenden Studie wurden durch zwei vorangegangene globale Meeresexpeditionen möglich: Die dreijährige Tara Oceans-Expedition und die spanische Malaspina-Expedition im Jahr 2010 hatten das Ziel, das bislang unbekannte Leben in den Weltmeeren und die Auswirkungen des globalen Wandels auf die Ozeane zu untersuchen.

Die ForscherInnen untersuchten die in den zahlreichen Meereswasserproben vorhandenen Viren mittels moderner DNA-Sequenzierungsverfahren. Dazu entwickelten sie neue bioinformatische Methoden zur Rekonstruktion und Untersuchung von Virengenomen. Das Team verglich die genetische Information aus diesen Proben und erstellte einen Katalog von 15.222 verschiedene Virustypen, die sie in 867 Gruppen mit ähnlichen Eigenschaften einteilten – einen so umfassenden Katalog von Meeresviren wie nie zuvor.

Viren manipulieren Mikroben in ungeahntem Ausmaß

Es zeigte sich auch, dass das Ausmaß, in dem die Viren auf vielfältigste Funktionen der Mikroorganismen in einem Ökosystem Einfluss haben könnten, viel größer ist als bislang angenommen. Der Mikrobiologe Alexander Loy von der Universität Wien hat dazu beigetragen, diese möglichen Funktionen aufzuklären. “Die Vielzahl der verschiedenen mikrobiellen Gene, die in den Genomen der marinen Viren entdeckt wurden, ist beeindruckend. Durch Manipulation des Stoffwechsels von mikrobiellen Schlüsselspielern könnten Viren gezielt in den Kohlenstoff-, Stickstoff- oder Schwefelkreislauf der Ozeane eingreifen”, erklärt Loy.

Die Konsequenzen dieser neuen Erkenntnisse sind weitreichend. In ähnlicher Weise könnten Mikroben-infizierende Viren nicht nur im Ozean massiven Einfluss auf die Nährstoff- und Energieflüsse nehmen, sondern auch in anderen Ökosystemen wie Böden, Seen, Flüssen oder dem menschlichen Körper.

Publikation in “Nature”

Ecogenomics and potential biogeochemical impacts of globally abundant ocean viruses:
Simon Roux, Jennifer R. Brum, Bas E. Dutilh, Shinichi Sunagawa, Melissa B. Duhaime, Alexander Loy, Bonnie T. Poulos, Natalie Solonenko, Elena Lara, Julie Poulain, Stéphane Pesant, Stefanie Kandels-Lewis, Céline Dimier, Marc Picheral, Sarah Searson, Corinne Cruaud, Adriana Alberti, Carlos M. Duarte, Josep M. Gasol, Dolors Vaqué, Tara Oceans Coordinators, Peer Bork, Silvia G. Acinas, Patrick Wincker, Matthew B. Sullivan.
Nature, September 2016.
DOI: 10.1038/nature19366

*Source: Universität Wien

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