Werkzeug oder kein Werkzeug? Das ist hier die Frage

Kakadus denken ökonomisch und treffen Entscheidungen je nach “Marktsituation”

Flexibler Werkzeuggebrauch bei Tieren steht in enger Verbindung mit intelligenten mentalen Prozessen wie zum Beispiel die Fähigkeit Handlungen zu planen. KognitionsbiologInnen von der Universität Wien und der Veterinärmedizinischen Universität Wien erforschten Entscheidungsfähigkeit und Werkzeuggebrauch bei einer indonesischen Kakadu-Art und fanden heraus, dass die Tiere offenbar sorgfältig abwägen: Sofort verfügbares Futter fressen oder doch lieber warten und ein Werkzeug verwenden, um damit an ein anderes Futter zu kommen? Dabei hinterfragen die Vögel auch Details wie Qualitätsunterschiede beim Futter oder den Sinn des Einsatzes von Werkzeugen.

Tierischer Werkzeuggebrauch ist extrem selten und wird daher oft fälschlicherweise pauschal als intelligent gewertet. Einige Formen von tierischen Werkzeuggebrauch werden aber von relativ einfachen mentalen Prozessen kontrolliert, die ein Teil des stereotypen, angeborenen Verhaltens der jeweiligen Spezies sind. Intelligenter Werkzeuggebrauch benötigt daher die Fähigkeit, das Verhalten flexibel an wechselnde Umgebung anzupassen.

Vogel bedient Stock-Apparatur (Image copyright: Bene Croy).

Vogel bedient Stock-Apparatur (Image copyright: Bene Croy).

Der indonesische Goffini-Kakadu ist in der Lage, gleich zwei verschiedene Arten von Werkzeugen zu verwenden – Stöcke, um nach Futter zu stochern und zu rechen sowie Steine oder Bälle, die er in Rohre fallen lässt, um ein darin verstecktes Futter zu befreien. Dieselben Tiere zeigen auch im klassischen “Marshmallow”-Experiment aus der Humanpsychologie eine solide Leistung: Sie kontrollieren ihren Impuls, ein sofort verfügbares Futter mittlerer Qualität gleich zu essen, wenn sie die Aussicht auf ein noch besseres Futter nach einer Zeitverzögerung haben.

Die KognitionsbiologInnen Isabelle Laumer, Alice Auersperg und Thomas Bugnyar von der Universität Wien und der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchten die flexiblen Werkzeugentscheidungen der Goffini-Kakadus. Sie verwendeten zwei verschiedene Arten von Futter: Cashew-Nüsse, die das Lieblingsfutter der Tiere sind, und Pecan-Nüsse, welche die Tiere gerne essen aber gewöhnlich ignorieren, wenn Cashews vorhanden sind.

Die Versuchsanordnung enthielt auch zwei verschiedene Apparaturen, in denen eine der beiden Futtersorten vorübergehend außer Reichweite war und zwei Arten von Werkzeugen: Eine Apparatur konnte nur durch das Stochern mit einem Stöckchen bedient werden (aber nicht durch das Hineinstecken eines Balles), die andere nur dann, wenn die Tiere einen Ball hineinwarfen (aber nicht ein Stöckchen). Während der Tests stand eine Apparatur auf einem Tisch und die Tiere durften einen von zwei Gegenständen, die daneben lagen (gewöhnlich ein Werkzeug und eine Futterbelohnung) wählen, der andere wurde in der Folge entfernt.

Interessanterweise passten die Kakadus ihre Entscheidungen flexibel an verschiedene Situationen an. “Wenn das geringwertige Futter oder das hochwertige Futter in der Apparatur außer Reichweite waren und die Tiere die Wahl zwischen dem hochwertigen Futter und einem Werkzeug hatten, nahmen sie das Futter und nicht das Werkzeug, auch wenn das Werkzeug mit der Apparatur funktionierte”, beschreibt Erstautorin Isabelle Laumer, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchführte. Wenn die Kakadus allerdings die Wahl zwischen dem niederwertigen Futter und einem Werkzeug hatten, mit dem sie an besseres Futter gelangten, wählten sie das Werkzeug; allerdings nur dann, wenn es mit der Apparatur am Tisch funktionierte: Wenn also beispielsweise das Stöckchen und das niederwertige Futter verfügbar waren, gleichzeitig aber die Ball-Apparatur auf dem Tisch stand, wählten sie das niederwertige Futter und nicht das Stöckchen. Wenn aber die Stock-Apparatur mit hochwertigen Futter am Tisch stand, wählten sie das Stöckchen und nicht das sofort verfügbare Futter. Die Fähigkeit der Tiere, das Problem effizient zu lösen, fand erst dann ein Ende, wenn beide Apparaturen gleichzeitig mit jeweils einer anderen Belohnung und beide Werkzeuge zur Entscheidung angeboten wurden. “Wir vermuten, dass die Tiere möglicherweise durch die Menge der Komponenten, die bei der Entscheidung involviert sind, an die Grenzen des ‘Arbeitspeichers’ in ihrem Gedächtnis stoßen”, so Laumer.

“Unsere Ergebnisse decken sich mit Resultaten von Primaten: Die Kakadus können ihre Impulse zugunsten zukünftiger Gewinne unterdrücken, auch wenn Werkzeuggebrauch als Arbeitsaufwand involviert ist. Darüber hinaus fanden wir heraus, dass sie gleichzeitig auf die Funktionalität ihres Werkzeuges im entsprechenden Kontext achten”, sagt Alice Auersperg, Leiterin des Goffin Labs: “Da wild lebende Goffini-Kakadus kaum auf Werkzeuggebrauch spezialisiert sind, schließen wir daraus, dass werkzeugbezogene Entscheidungen aus allgemeinen kognitiven Prozessen entstehen können, wie zum Beispiel einer Kombination aus Flexibilität, sensorimotorischer und Impuls-Kontrolle”.

Publikation in “Scientific Reports”:
Flexible decision-making relative to reward quality and tool functionality in Goffin cockatoos (Cacatua goffiniana): Isabelle Laumer, Thomas Bugnyar, Alice Auersperg. In Scientific Reports
DOI: 10.1038/srep28380

Weitere Informationen über das Goffin Lab:
https://www.vetmeduni.ac.at/en/messerli/science/cognition/wildlife/goffin-lab/

*Source: Universität Wien

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