Soziale Ungleichheit unter berufstätigen Müttern gewachsen

Soziologische Studie: Bildungsgrad beeinflusst zunehmend, wie schnell Mütter in den Beruf zurückkehren und Betreuungsangebote nutzen

Mütter mit einem höheren Bildungsgrad steigen nach der Geburt schneller wieder in den Beruf ein und nutzen eher Angebote zur Kinderbetreuung: Dieser bereits bekannte bildungsbedingte Unterschied zwischen Frauen mit niedriger und höherer Bildung hat sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich vergrößert, wie eine Studie zeigt, die Soziologinnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Universität Tübingen durchgeführt haben.

Die Wissenschaftlerinnen untersuchten, wie Mütter mit unterschiedlichem Bildungshintergrund Angebote wahrnahmen, die eine frühe Rückkehr in den Beruf fördern und Zugang zu staatlich geförderter Kinderbetreuung erleichtern. Die Studienergebnisse ermöglichen ein besseres Verständnis dafür, wie Bildungsunterschiede mit Entwicklungen in der Familienpolitik und Veränderungen in der Arbeits- und Betreuungskultur zusammenwirken. 

In der Studie werteten die Wissenschaftlerinnen Daten aus dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) von 6.282 Müttern und rund 8.600 Kindern aus, aus dem Zeitraum von 1997 bis 2013. Die Wissenschaftlerinnen untersuchten, ob Mütter erwerbstätig waren, ob sie  Kindertageseinrichtungen (Kitas) oder informelle Betreuungsmöglichkeiten wie z.B. durch Großeltern oder Freunde nutzten, sowie jegliche Kombinationen aus beidem. Der Bildungsstand der Mütter wurde nach drei Gruppen unterschieden: hohe Bildung (Universitäts- oder Fachhochschulabschluss), mittlere Bildung (Berufsausbildung) sowie niedrige Bildung (keine Berufsausbildung). Des Weiteren verglichen die Soziologinnen Ost- und Westdeutschland, die historisch bedingt durch sehr unterschiedliche kulturelle Ideale geprägt sind, was die Berufstätigkeit von Müttern und formale Kinderbetreuung betrifft.

Das Ergebnis: Die Berufstätigkeit von Müttern mit niedrigem Bildungsstand blieb über den gesamten Zeitraum in Westdeutschland relativ stabil bei ca. 20 Prozent, während sie in Ostdeutschland zwischenzeitlich leicht sank. Vor allem in Westdeutschland nutzte diese Gruppe im untersuchten Zeitraum aber vermehrt formale Kinderbetreuungsangebote mit einem Anstieg des Anteils von zwei auf 16 Prozent. Gleichzeitig sank die informelle Betreuung, vor allem durch Großeltern, von 39 auf 18 Prozent. Bei Müttern mit mittlerer oder hoher Bildung war der Zuwachs in der Kitanutzung noch markanter, in den alten Bundesländern stieg der Anteil der Mütter, die eine Kita in Anspruch nahmen, bei mittlerer Bildung von sechs auf 21 Prozent und bei hoher Bildung von 14 auf 36 Prozent. 

Besonders im Zeitraum nach 2007 machten sich die Bildungsunterschiede im Verhalten bemerkbar. Im Osten Deutschlands, wo zu Erhebungsbeginn (1997) kaum Unterschiede zwischen den drei Gruppen existierten, zeichnet sich dies drastischer ab als im Westen: Hier machte der Unterschied zwischen niedrig- und hochgebildeten Müttern, die sich für ihren Beruf entschieden, anfangs nur 3 Prozent aus, bis zum Ende der Erhebung waren es 30 Prozent. In Westdeutschland vergrößerte sich der Abstand zwischen diesen Gruppen von 13 auf 25 Prozent.

Mütter mit niedriger Bildung seien bei dieser Entwicklung dem Risiko ausgesetzt, dauerhaft in wirtschaftlicher Unsicherheit zu leben und gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden, warnen die Wissenschaftlerinnen. Auffallend an den Ergebnissen sei zudem die Annäherung von neuen und alten Bundesländern: In der ehemaligen DDR wurden Bildungsunterschiede im Hinblick auf die Berufstätigkeit von Müttern erst im Lauf der 2000er Jahre sichtbar.

Ursache könnte die Entwicklung des Arbeitsmarktes sein: „Schlechtere Berufsaussichten für Mütter mit niedriger Bildung könnten sie davon abgehalten haben, auf Anreize aus der Familienpolitik zu reagieren und nach der Geburt schnell wieder in den Beruf einzusteigen“, sagt Pia Schober, Professorin für Soziologie an der Universität Tübingen. „Unterschiedliche Arbeitsmarktchancen wären für ostdeutsche Mütter somit nach der Wiedervereinigung bedeutender für die Gestaltung von Berufstätigkeit und Kinderbetreuung geworden als zuvor dominante kulturelle Normen.“

Nach Ansicht der Autorinnen könnten die Befunde auf neue, deutschlandweite Klassenunterschiede  hindeuten. „Es bleibt abzuwarten, ob diese langfristig eine größere Bedeutung einnehmen als derzeit weiterhin bestehende Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen im Berufsleben oder unterschiedliche Einstellungen in alten und neuen Bundesländern zur Betreuung in Kitas“, fasst Pia Schober zusammen. 

Originalpublikation

Stahl, J. F., & Schober, P. S. (2017). Convergence or divergence? Educational discrepancies in work-care arrangements of mothers with young children in Germany. Work, Employment & Society, published online April 7, 2017.

*Source: Universität Tübingen

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