Kasseler Wissenschaftler entwickeln System zur vorausschauenden Steuerung von Talsperren

Talsperren leisten weltweit einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz, zur Trink- und Brauchwasserversorgung und zur Energieerzeugung aus Wasserkraft. Die individuelle Steuerung der Abgabemengen ist komplex und so auszurichten, dass die im Widerspruch zueinander stehenden Bewirtschaftungsziele eingehalten werden. Kasseler Wissenschaftler vom Fachgebiet Wasserbau und Wasserwirtschaft haben nun ein computergestütztes System entwickelt, das mit Hilfe mathematischer Optimierung eine vorausschauende Steuerung der Abflussmengen der Edertalsperre ermöglicht. Es ist auf Anlagen in der ganzen Welt übertragbar.

In einem Pilotprojekt im Auftrag der Bundesanstalt für Gewässerkunde und in Zusammenarbeit mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt Hann. Münden entwickelten die Kasseler Wissenschaftler um Prof. Dr.-Ing. Stephan Theobald ein computergestütztes System für die Bewirtschaftung der Edertalsperre, mit dem sich die Wasserstände an der Talsperre und der Eder und damit auch der Fulda und Weser optimal steuern lassen. Dabei simuliert das Optimierungsmodell unter Berücksichtigung von Abflussvorhersagen, gemessenen Pegelständen und im Winter zurückgehaltenen Schneemengen eine für die Folgetage optimale Menge des abfließenden Wassers aus der Talsperre. Eine Abgabeänderung benötigt beispielweise abhängig von den Wasserständen in Eder und Fulda etwa zwölf bis 24 Stunden, bis sie nach 92 Kilometern in Hann. Münden ankommt.

Die Edertalsperre. Image credit: Carschten (Source: Wikipedia)

Die Edertalsperre. Image credit: Carschten (Source: Wikipedia)

Zu diesem Zweck wurden Simulationsverfahren zur Talsperrenbilanzierung und Fließgewässermodellierung mit mathematischen Optimierungsroutinen zur Berücksichtigung der vielfältigen Betriebsregeln gekoppelt. „Das System bietet dem Betreiber eine komfortable Entscheidungshilfe, mit dem auch weit flussabwärts gelegene Pegel stundengenau reguliert werden können“, erklärt Dipl.-Ing. Alexander Rötz, der zu diesem Thema seine Doktorarbeit geschrieben hat. Hauptziel bei der Festlegung einer Betriebsstrategie sei es, die Unterlieger vor Hochwasser zu schützen und zugleich mit den zur Verfügung stehenden Wasserressourcen so sparsam wie möglich zu wirtschaften, um genügend Wasser für die Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse an der Oberweser ab Hann. Münden bereitzustellen. Daneben solle möglichst ausreichend Wasser im Edersee bleiben, um auch den Belangen von Tourismus, Freizeit- und Naherholung oder Binnenfischerei gerecht zu werden.

Die Wissenschaftler betonen, dass die Edertalsperre auch bislang schon gut gesteuert werde. Bei der Verwendung der neuen Software werden dem Betriebspersonal nun die Auswirkungen von verschiedenen Bewirtschaftungsstrategien im Vorfeld seiner Entscheidung dargelegt und mit den integrierten Optimierungsansätzen Handlungsspielräume in der Bewirtschaftung aufgezeigt. Auf dieser Grundlage kann dann die optimale Abgabemenge festgelegt werden.

An vielen anderen Talsperren werden die Möglichkeiten noch nicht vollständig ausgenutzt. Weil das entwickelte System auf andere wasserwirtschaftliche Systeme übertragbar ist, sehen die Wissenschaftler interessante Anwendungsfelder in der ganzen Welt. Das betreffe den Hochwasserschutz ebenso wie weitere Funktionen von Talsperren: „Auch die Bewässerung lässt sich vielerorts verbessern, ebenso die Stromerzeugung aus Wasserkraft“, sagt Theobald.

Das Fachgebiet Wasserbau und Wasserwirtschaft unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Stephan Theobald beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Betrieb von wasserbaulichen Anlagen und dem Zusammenspiel mit strömungsmechanischen Vorgängen in Flüssen. An dem Projekt maßgeblich mitgewirkt haben die wissenschaftlichen Mitarbeiter Dipl.-Ing. Alexander Rötz und Dipl.-Hydrol. Christian Bouillon.

*Source: Universität Kassel

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