Gefahr am Meeresboden

Die Meeresbiologin Dr. Mona Hoppenrath von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven hat gemeinsam mit internationalen Kollegen das weltweit erste Bestimmungsbuch für marine, benthisch lebende Dinoflagellaten verfasst. Die winzigen Einzeller sind weltweit verbreitet und unter anderem Auslöser für die Krankheit Ciguatera, die am häufigsten auftretende Art der Fischvergiftung. Das Buch ist heute unter demTitel „Marine benthic dinoflagellates – unveiling their worldwide biodiversity” in der „Kleinen Senckenberg Reihe“ erschienen.

Dinoflagellaten leben in Salz- und Süßgewässern rund um den Globus und haben sehr vielfältige Eigenschaften: Die mikroskopisch kleinen Einzeller lassen Wellen leuchten, spielen eine zentrale Rolle im aquatischen Nahrungsnetz und produzieren Gifte, die für den Menschen gefährlich werden können.

Der marine Dinoflagellat Gambierdiscus toxicus produziert Gifte, die für den Menschen gefährlich werden können. Image credit: © Senckenberg

Der marine Dinoflagellat Gambierdiscus toxicus produziert Gifte, die für den Menschen gefährlich werden können. Image credit: © Senckenberg

„Während planktonische, also im Wasser schwebende, Dinoflagellaten gut erforscht sind, hat sich bisher kaum jemand mit den im und am Meeresboden lebenden Dinoflagellaten beschäftigt“, erklärt Dr. Mona Hoppenrath, Wissenschaftlerin bei Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven und Autorin des neu erschienenen Buches.

Dies ist insofern verwunderlich, weil die benthisch lebenden Dinoflagellaten eine konkrete Gefahr für den Menschen darstellen: Einige der Arten können die zum Teil tödlich verlaufende Fischvergiftung Ciguatera verursachen. „Ciguatera ist die häufigste Art von Fischvergiftung. Hervorgerufen wird sie durch die Giftstoffe Cigua- und Maitotoxin, die wiederum von auf Algen und Seegras lebenden Dinoflagellaten wie beispielsweise Gambierdiscus toxicus produziert werden“, erklärt Hoppenrath. Da die Gifte in der Nahrungskette angereichert werden, sind besonders Raubfische belastet.

In der neuen Zusammenfassung geht es aber nicht nur um diese etwa 30 potentiell gefährlichen Dinoflagellaten. Insgesamt 189 Arten in 45 Gattungen wurden von Hoppenrath und ihren Kollegen aufgelistet, beschrieben und illustriert. Hinzu kommen Informationen zu Lebensräumen, geographischer Verbreitung und Ökologie.

„Eigentlich könnten wir schon fast mit einer zweiten Auflage beginnen“, scherzt Hoppenrath, denn dauernd werden neue benthische Dinoflagellaten-Arten entdeckt. „Wir sind uns sicher, dass bisher erst ein Teil dieser Einzeller erfasst wurde“, ergänzt die Wilhelmshavener Meeresbiologin.

Diamantförmiger Dinoflagellat Peridinium quinquecorne – eine der wenigen Arten, dieplanktonisch und benthisch auftreten. Image credit: © Senckenberg

Diamantförmiger Dinoflagellat Peridinium quinquecorne – eine der wenigen Arten, die
planktonisch und benthisch auftreten. Image credit: © Senckenberg

Die Autoren des Buches zählen zu den wenigen Experten der auch als Panzergeißler bezeichneten Organismen: Mehr als ein Drittel der bisher bekannten benthischen Arten wurde von ihnen beschrieben.

„Uns hat dabei vor allem die Arten-Vielfalt überrascht und dass die benthisch lebenden Dinoflagellaten kaum mit den planktonisch lebenden vergleichbar sind.“ Taxonomisch und systematisch sind diese beiden sehr nahestehenden Gruppen schwer in Einklang zu bringen – beschreibt man eine Art im Sand und sucht dann nahe Verwandte in den Meeresströmungen, wird man genauso wenig fündig, wie umgekehrt.

„Das ist eine ganz eigene Welt, dort am Meeresgrund und wir können hier nicht nach ‚gewohntem Schema‘ vorgehen“, erläutert  Hoppenrath.

In Sammlungen können die winzigen Einzeller nur schwer aufbewahrt werden – bei der Präparation werden oftmals Zellen zerstört oder so stark deformiert, dass die wesentlichen Bestimmungsmerkmale fehlen. Umso wichtiger sind die Zeichnungen und Fotografien im neuen Senckenberg-Buch. Hoppenrath fasst zusammen: „Wir glauben, dass unser Werk einerseits für Studierende und Wissenschaftler interessant ist, aber auch als Bestimmungshilfe für ‚Praktiker‘ – wie beispielsweise das Bundesumweltamt – bei der Überwachung der für den Menschen gefährlichen Dinoflagellaten helfen wird.“

*Source: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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