Unterkühlt

Der Winter schleicht sich so allmählich nach Mitteleuropa, und dabei
kommt er nicht schnurstracks aus dem Norden, nein, er nimmt einen
Umweg über den Nordwesten Russlands. Da unsere “Wetterküche” der
Atlantik ist und unser Wetter häufig aus Westen kommt, kann man
sagen, dass der Winter aktuell die Hintertüre nimmt.

Als Folge dieser Taktik sind die winterlichen Schwerpunkte vor allem
im Norden und Osten Deutschlands auszumachen. Dort ist praktisch
flächendeckend mit Glätte zu rechnen, in verschieden starker
Ausprägung, aber in der Spitze sind sogar Unwetterwarnungen nötig
gewesen bzw. immer noch nötig (Stand heute, Dienstag, 21.1., 8 Uhr).
Dabei kann man sich die Frage stellen, wie denn die meteorologischen
Gegebenheiten sein müssen, damit Regen gefriert.

Eine gängige und leicht verständliche Form des Auftretens
gefrierenden Regens ist die, dass sich kalte – und als direkte Folge
dieser niedrigen Temperaturen auch recht schwere Luft – unter wärmere
Luftschichten schiebt. Herrschen in diesen wärmeren Luftschichten nun
Temperaturen über null Grad Celsius, so kann der in der Regel feste
Niederschlag in dieser wärmeren Luftschicht tauen, um dann in der
untersten, kalten Luftschicht wieder zu gefrieren und dann als
gefrierender Regen am Boden anzukommen. Dabei hängt das
Gefährdungspotential vor allem davon ab, ob die Tropfen schon wieder
durchgefroren sind (was in der Regel – leider – nicht der Fall ist).

Manchmal ist die Lage aber noch etwas komplizierter. Dann nämlich,
wenn in der Atmosphäre durchweg Temperaturen unter null Grad
vorherrschen und dennoch Regen fällt. Dieses Szenario ist
beispielsweise heute im Osten Deutschlands aufgetreten. Die
angehängte Grafik (in der rechten Spalte der Startseite unter “Thema
des Tages” -> [mehr]) zeigt die Temperaturschichtung an der Station
Lindenberg (Brandenburg) heute Morgen um 7 Uhr. Dabei gibt die rote,
durchgezogene Kurve die Temperatur an, die senkrechte blaue Linie
markiert die Nullgrad-Grenze. Wie man sieht, liegt die Temperatur
durchweg unter null Grad – und dennoch fällt (gefrierender) Regen.
Wieso?

Dies liegt daran, dass sich die Wassermoleküle bei Temperaturen unter
null Grad nicht immer zu einem Kristallgitter zusammenlagern. Dazu
muss die Kristallstruktur eine ausreichende Stabilität aufweisen. In
der Atmosphäre ist dies in der Regel dann gegeben, wenn die Luft
ausreichend “Verunreinigungen” wie z. B. Aerosole enthält, an denen
sich das Kristallgitter bilden kann. Sind in der Luft kaum Staub-
oder andere Schwebpartikel enthalten, kristallisiert das Wasser nicht
aus. Dann bilden sich Tropfen, deren Temperatur unter null Grad
liegt. Man spricht von unterkühltem Wasser. Treffen diese Tropfen auf
den Boden, so können sie in kürzester Zeit gefrieren – die klassische
Blitzeis-Situation.

Da sich bei uns in den kommenden Tagen die kalte Luft aus
Skandinavien und Nordwest-Russland zunehmend nach Südwesten
ausbreitet, kann es weiterhin glatt werden. Allerdings lassen die
Niederschlagsmengen nach, so dass auch die Gefahr von Glatteis durch
gefrierenden Regen geringer wird.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.01.2014

*Source: Deutscher Wetterdienst

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