Alte Infrastruktur, Klimawandel und demografische Veränderungen erfordern Anpassung und Sanierung von Wasserversorgungs- und Abwassernetzen. Diese sollten mit Blick auf die gesamte Wasserinfrastruktur erfolgen, fordern nun die Umwelttechniker Wolfgang Rauch und Manfred Kleidorfer von der Universität Innsbruck in einem Beitrag in der Fachzeitschrift Science.
Vor Jahrzehnten errichtete Infrastrukturbauten für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung kommen langsam in die Jahre. Bei einer Lebensdauer von 50 bis 100 Jahren sind auch in Mitteleuropa viele Versorgungsnetze heute veraltet. Der Klimawandel und demografische Veränderungen machen darüber hinaus Anpassungen notwendig. So lassen die zukünftigen klimatischen Bedingungen höhere Niederschlagsintensitäten erwarten. Um damit zurechtzukommen, müssen entweder zusätzliche Kanalsysteme gebaut oder andere Lösungen wie dezentrale Abwassersysteme eingeführt werden. Dort wo Städte rasch wachsen oder schrumpfen müssen die Versorgungsnetze entsprechend angepasst werden. Hier sind dezentrale Lösungen wie die häusliche Abwasserverwertung oft wesentlich günstiger als aufwändige Netzwerke zur Entsorgung der Abwässer. Die Einführung dezentraler Lösungen hat aber wiederum auch erheblichen Einfluss auf die Funktion bestehender Netzwerke, weil etwa die Durchflussmengen in den Abwassernetzwerken sinken und dadurch in den Kanälen verstärkt Sedimente abgelagert werden.
Trinkwasserbehandlung mit Folgen
Während solche dezentralen Lösungen heute häufig nur als Anpassungsmaßnahme gesehen werden, fordern Wolfgang Rauch und Manfred Kleidorfer vom Arbeitsbereich Umwelttechnik der Fakultät für Technische Wissenschaften der Universität Innsbruck in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science nun einen ganzheitlicheren Blick auf Infrastrukturnetzwerke. „Die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung werden immer noch nicht gemeinsam gedacht, auch in den zuständigen Stadtwerken sind diese Bereich meist immer noch organisatorisch getrennt“, sagen Rauch und Kleidorfer. Wenn in den nächsten Jahren diese Netzwerke saniert und angepasst werden müssen, ist es nach Meinung der Innsbrucker Umwelttechniker unabdingbar, die sich gegenseitig beeinflussenden Infrastruktursysteme als Ganzes zu betrachten. Anlass für den Kommentar von Rauch und Kleidorfer in Science ist ein gutes Beispiel für dieses Denken: Eine australische Arbeitsgruppe an der University of Queensland zeigt in einer aktuellen Studie, dass Zusätze zur Trinkwasserbehandlung einen großen Einfluss auf die Korrosion von Abwasserleitungen haben können. Sie schlagen deshalb vor, bei der chemischen Aufbereitung von Trinkwasser auf Sulfate zu verzichten, weil diese im Abwasser Schwefelsäure bilden und dadurch Abwasserrohre aus Beton angreifen können. „Das ist ein sehr gutes Beispiel für den Zusammenhang von Trinkwasserversorgung und Abwassersystem“, sagen Rauch und Kleidorfer. „Die Sulfate durch andere Flockungsmittel zu ersetzen oder andere Methoden wie die Nanofiltration einzusetzen, hat hier nachhaltigen Einfluss auf die Lebensdauer des Abwassernetzwerks.“
Ganzheitliches Wassermanagement
Es gibt noch viele weitere Beispiele für den Nutzen eines ganzheitlichen Wassermanagements. So hat etwa der Ersatz von Phosphaten in Waschmitteln durch alternative Zusatzstoffe den Nährstoffeintrag in heimische Gewässer massiv reduziert. „Die Reihe von falschen Entscheidungen bei komplexen technischen Systemen ist sehr lang, weil viel zu oft nur Ausschnitte betrachtet werden“, resümieren Wolfgang Rauch und Manfred Kleidorfer. „Wir müssen über die Grenzen der einzelnen Bereiche hinausdenken. Optimale Lösungen können nur gefunden werden, wenn die einzelnen Prozesse richtig verstanden, Zusammenhänge erkannt und die Konsequenzen für den gesamten städtischen Wasserzyklus erfasst werden.“
*Source: Universität Innsbruck