Ein Sternenstrom in kosmischer Nachbarschaft

AstrophysikerInnen entdecken riesige Sternenpopulation in Sonnennähe

Ein Sternenstrom in unmittelbarer Nachbarschaft zur Sonne ist die neueste Entdeckung von ForscherInnen am Institut für Astrophysik der Universität Wien. Sie untersuchten die Bewegung von hunderten Millionen Sternen in unserer Heimatgalaxie. Dabei stießen sie auf 4000 Sterne, die sich seit ihrer Geburt vor etwa einer Milliarde Jahre geschlossen auf der gleichen Bahn durch die Milchstraße bewegen.

Durch seine besondere Lage, die Sterne sind in etwa nur 300 Lichtjahre von der Erde entfernt, bietet der neu entdeckte Strom einzigartige Möglichkeiten zur Untersuchung der Lebenszyklen von Sternhaufen, dem Gravitationsfeld der Milchstraße und der Evolution von Planetensystemen. Für ihre Studie verwendeten die WissenschafterInnen neueste Messungen der ESA Weltraummission Gaia. Die Ergebnisse erscheinen aktuell im Journal Astronomy & Astrophysics.

Dieses Bild zeigt den Nachthimmel in einer sogenannten stereografischen Projektion. In dieser speziellen Darstellung ist die Milchstraße als Kreisring um den Galaktischen Südpol abgebildet. Der Sternenstrom, eingezeichnet mit roten Punkten, überspannt fast die gesamte südliche galaktische Hemisphäre und kreuzt viele bekannte Sternbilder. Image credit: © Gaia DR2 skymap

Die Milchstraße, unsere Heimatgalaxie, beherbergt unzählige Sternhaufen unterschiedlichster Größen und Lebensalter. Viele davon sind nur einige Millionen Jahre alt, in kosmischen Skalen ein äußerst kurzer Zeitabschnitt. Im Vergleich dazu findet man ältere Sternhaufen, die einige hundert Millionen Jahre alt sind weitaus seltener. Am Rand der Galaxie, dem sogenannten Halo, gibt es riesige, massereiche Sternsysteme, die den Gezeitenkräften der Milchstraße seit Milliarden Jahren ausgesetzt sind. Unabhängig von Alter, Herkunft und Größe werden Sternhaufen im Laufe der Jahrmilliarden durch Gravitationskräfte der Galaxie zu Sternenströmen auseinandergerissen.

“Die meisten Sternhaufen in der galaktischen Scheibe zerstreuen sich innerhalb kurzer Zeit nach deren Entstehung. Die Gravitationskräfte der Sterne in den Haufen sind einfach nicht stark genug, um diese über lange Zeiträume zusammenzuhalten. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Erde finden wir jedoch auch Sternhaufen, die genügend Masse haben, um zumindest einige hundert Millionen Jahre den Gezeitenkräften der Galaxie zu widerstehen. Es sollten also einige dieser Sternenströme auch in der Milchstraßenebene existieren”, sagt Stefan Meingast, Erstautor der Studie.

Dank der hochpräzisen Messungen der Weltraumsonde Gaia konnten die WissenschafterInnen die dreidimensionale Bewegung von Sternen rekonstruieren. Unter den sonnennahen Sternen fanden sie so eine bisher unerforschte Gruppe, welche exakt die Eigenschaften eines durch Gezeitenkräfte verformten Sternhaufens aufweist.

“Das Auffinden solcher nahegelegenen Sternenströme ist wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die einzelnen Sterne in der neu entdeckten Gruppe sind AstronomInnen schon seit langem bekannt, jedoch verteilen sich diese über fast den gesamten Nachthimmel. Aus diesem Grund konnten wir erst jetzt deren Zusammengehörigkeit erkennen”, erklärt João Alves, Zweitautor und Professor für stellare Astrophysik. “Die Entdeckung solch nahegelegener Sternsysteme ist äußerst hilfreich, da man diese dadurch sehr genau untersuchen kann.”

Das Team konnte dem Strom in etwa 200 Sterne zuordnen. Aufgrund der limitierten Messungen schließen die ForscherInnen aber auf eine Gesamtanzahl von mindestens 4000 zugehörigen Sternen. Der Sternenstrom ist damit eine der massereichsten Sterngruppen in Sonnennähe. Gleichzeitig wurde das Alter des Systems auf etwa eine Milliarde Jahre bestimmt – genügend Zeit um viermal unsere Heimatgalaxie zu umrunden und eine stromähnliche Struktur als Resultat der gravitativen Wechselwirkung mit der Milchstraße zu entwickeln.

“Gleich die erste Untersuchung dieser Sterngruppe zeigte uns, dass wir eine spannende neue Entdeckung gemacht hatten.Wir erkannten, dass wir auf einen nahen Sternenstrom gestoßen waren, der sich über hunderte Lichtjahre und damit große Teile des Nachthimmels erstreckt. “, sagt Verena Fürnkranz, Co-Autorin und Masterstudentin am Institut für Astrophysik.

Die AstronomInnen erhoffen sich durch die Entdeckung des Sternenstroms neue Erkenntnisse über die Masseverteilung und das Gravitationsfeld der Milchstraße, sowie Einsicht in die Sternverteilung von Galaxien. Ebenso hoffen die ForscherInnen mit Hilfe der Weltraumsonde Gaia noch weitere solcher Systeme zu entdecken.

Publikation in Astronomy & Astrophysics:

Extended stellar systems in the solar neighborhood. II. Discovery of a nearby 120° stellar stream in Gaia DR2”, by Meingast et al. Published in Astronomy & Astrophysics, 2018, 622, L13
DOI: 10.1051/0004-6361/201834950

*Source: Universität Wien

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