Darmbiofilme können eine Rolle bei Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts spielen
Ein österreichisch-australisches Forschungsteam hat in einer umfassenden wissenschaftlichen Übersichtsarbeit die neuesten Erkenntnisse aus Mikrobiologie, Immunologie sowie klinischer und pharmakologischer Forschung zur Bedeutung von Darmbiofilmen zusammengefasst und diskutiert.
So entstand ein detaillierter Überblick über das derzeitige Wissen zu Biofilmen im Magen-Darm-Trakt und ihrer Rolle in Gesundheit und Krankheit. Die Arbeit ist aktuell im hochrangigen Fachmagazin Clinical Microbiology Reviews erschienen.
Magen-Darm-Erkrankungen wie das Reizdarmsyndrom, entzündliche Darmerkrankungen und Darmkrebs rücken zunehmend in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses, da sie die Gesundheit vieler Menschen beeinträchtigen. Darmbiofilme sind dabei ein zentrales Forschungsthema, da ihre Rolle bei der Entstehung dieser Krankheiten noch nicht vollständig geklärt ist.
Darmbiofilme – ein vielschichtiges Thema
Darmbiofilme sind komplexe räumlich organisierte Gemeinschaften von vielen verschiedenen Mikroorganismen, die sich an der Darmschleimhaut anlagern und für das Überleben im Gastrointestinaltrakt optimiert sind. Die in Schleim eingebetteten Mikroorganismen sind vor Abwehrstrategien des Wirts und Medikamenten geschützt und weisen überdies noch eine höhere Resistenz gegen Arzneistoffe als frei lebende Darmbakterien auf. Dies macht biofilmbezogene Infektionen schwer behandelbar. Bislang sind auch noch keine biofilmspezifischen Therapeutika auf dem Markt oder in der klinischen Entwicklung. “Fakt ist aber”, so Studienautor Markus Muttenthaler vom Institut für Biologische Chemie der Universität Wien, “dass man oft Biofilme bei der Endoskopie des Gastrointestinaltrakts von Patient*innen mit Magen-Darm-Erkrankungen observiert, welche eine Rolle im Krankheitsmechanismus darstellen können.”
Biofilme als Ansatzpunkte für neue Behandlungsstrategien
Derzeit werden verschiedene therapeutische Strategien verfolgt, die auf kritische Phasen im Lebenszyklus des Darmbiofilms oder auf ganz bestimmte molekulare Ziele ausgerichtet sind. Zwei vielversprechende Ansätze konzentrieren sich dabei auf die Biofilm-Matrix oder auf regulatorische Netzwerke innerhalb des Biofilms. Trotz dieser Fortschritte gibt es immer noch große Wissenslücken, was die Charakterisierung von Biofilmen, ihre Wechselwirkungen mit dem Wirt und ihre Bedeutung für die Krankheitsentstehung betrifft. So ist es z.B. sehr wichtig, Schwellenwerte für die Unterscheidung zwischen gesundem und krankem Darmmikrobiom zu finden und Biomarker zu identifizieren, die dafür herangezogen werden können. Das Sammeln und die Analyse von Biofilmproben von Patient*innen wird dazu beitragen, das Verständnis von Darmbiofilmen zu verbessern. Weitere Studien sind notwendig, um die Zusammenhänge zwischen Umweltfaktoren, Antibiotikaeinsatz und der Bildung von Darmbiofilmen zu klären. Die aktuell im hochrangigen Wissenschaftsjournal “Clinical Microbiology Reviews”(JIF 37) erschienene Übersichtsarbeit stellt somit eine hervorragende Wissensbasis zu bisherigen Erkenntnissen zu Darmbiofilmen dar und wird als Ausgangspunkt für weitere Studien dienen, die das Verständnis von Darmbiofilmen erheblich verbessern und neue Möglichkeiten zu ihrer Kontrolle eröffnen werden.
Originalpublikation:
Intestinal biofilms – Pathophysiological relevance, host defense, and therapeutic opportunities. Bernhard Jandl, Satish Dighe, Christoph Gasche, Athanasios Makristathis, Markus Muttenthaler. Clinical Microbiology Reviews, 2024.
DOI: 10.1128/cmr.00133-23
*Source: Universität Wien