Ängste verhindern erfolgreiche Kreislaufwirtschaft

Freiburger Forschende ergründen, warum das deutsche Verpackungsgesetz hinter Hoffnungen zurückbleibt

Die Forscherinnen Machteld Simoens und Juniorprofessorin Dr. Sina Leipold von der Professur für Gesellschaftliche Transformation und Kreislaufwirtschaft der Universität Freiburg analysieren die politischen Diskussionen auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft in der deutschen Verpackungsbranche. In ihrer aktuellen Studie liefern sie Erklärungsansätze, warum das bisherige Verpackungsgesetz nur wenig zur Kreislaufwirtschaft beiträgt und von vielen als Enttäuschung empfunden wird. Darüber hinaus schlagen sie einen Handlungsansatz vor, um den Wandel zur Kreislaufwirtschaft dennoch voranzubringen. Ihre Arbeit ist in der Zeitschrift „Journal of Environmental Policy and Planning“ erschienen.

Seit 1991 bestand die Verpackungsverordnung in Deutschland, die unter anderem regelte, wie mit dem Verpackungsmüll verfahren wird. Im Jahr 2011 kam die Idee der Bundesregierung auf, die Verordnung durch ein Wertstoffgesetz zu ersetzen, um die Kreislaufwirtschaft und das Recycling von Materialien zu fördern. Das Gesetz sollte es ermöglichen, Verpackungsmüll zusammen mit weiterem Müll aus denselben Materialien, der sonst im Restmüll landet, zu entsorgen und zu recyceln. So hätten beispielsweise Gießkannen und Zahnbürsten gemeinsam mit klassischem Verpackungsmüll aus dem Gelben Sack in der Wertstofftonne wegeschmissen werden können. Doch anstatt eines Wertstoffgesetzes trat Anfang 2019 das Verpackungsgesetz als Nachfolger der Verpackungsverordnung in Kraft. Das neue Gesetz ist für viele Akteurinnen und Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft aber nicht zufriedenstellend, da es aus ihrer Sicht keine großen Veränderungen beinhaltet und lediglich einen geringen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leistet.

Die Politik hat sich über sieben Jahre in Streitigkeiten zwischen Befürworterinnen und Befürwortern eines privaten und eines öffentlichen Systems zur Abfallsammlung verfangen“, sagt Machteld Simoens. Die Forscherin hat beteiligte politische Akteure interviewt und Positionspapiere zum Verpackungsgesetz ausgewertet. Während die Entsorgung des Verpackungsabfalls im Gelben Sack privat organisiert wird, liegt die Verantwortung für den Papier-, Rest- und Biomüll bei den Kommunen. „Beide Seiten befürworten zwar den Gedanken einer Wertstofftonne, wollen die Verantwortung darüber aber nicht dem jeweils anderen abtreten. Die Beteiligten haben Angst vor radikalen Veränderungen“, sagt Simoens. Diese Ängste führten nach Ansicht der Forscherinnen zu einer Verhandlungssperre. Standpunkte und Argumente wiederholten und festigten sich. „Um aus der Blockade auszubrechen, tauschte der Gesetzgeber eine radikale Politikreform in Form eines Wertstoffgesetzes gegen ein weniger ambitioniertes Verpackungsgesetz. Viele Konflikte und Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft bleiben dabei leider für alle Beteiligten ungelöst“, sagt Sina Leipold. Beispielsweise sei das Problem stetig wachsender Abfallberge nicht angegangen worden.

Um dennoch den Wandel zu einer effektiven Kreislaufwirtschaft zu schaffen, schlagen die Wissenschaftlerinnen einen Dialog zwischen den zwei Lagern mit der Backcasting-Methode vor, um Ängste abzubauen und Differenzen zu überwinden. Mithilfe dieser Methode werden gemeinsam Kriterien für eine nachhaltige Zukunft definiert, die dann als Leitfäden für konkrete Umsetzungsmaßnahmen dienen. „Dabei wird vom Ideal-Zustand zum Ist-Zustand geplant. Währenddessen werden Schritt für Schritt Punkte gefunden, bei denen die verschiedenen Akteure kompromissbereit sind“, sagt Machteld Simoens. Konfliktpotenziale könnten so im Vorfeld behoben werden.

Originalveröffentlichung:

Simoens, Machteld, Leipold, Sina (2021). Trading Radical for Incremental Change: The Politics of a Circular Economy Transition in the German Packaging Sector. DOI: 10.31235/osf.io/mvx5q

*Source: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

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