Wie die Europäer Tiere und Pflanzen in den Kolonien austauschten

Die tropische Artenvielfalt ist bedroht und ihr Erhalt von großer Bedeutung. In diesem Kontext ist die historische Dimension des sogenannten Artentransfers zwischen den Kolonien im imperialen Zeitalter von aktuellem Interesse. Die DFG fördert seit Anfang 2017 ein Projekt an der Universität Kassel, das diesen Aspekt untersucht: „Ökologische Netzwerke und Transfers zwischen Australien, Südasien und Afrika, 1850-1920“.

Geleitet wird das Forschungsvorhaben von PD Dr. Ulrike Kirchberger von der Fachgruppe Geschichte am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften. Die Fördersumme beträgt rund 290.000 Euro.

Kirchberger untersucht, wie im 19. und frühen 20. Jahrhundert europäische Naturwissenschaftler in den Kolonien Australiens, Afrikas und in Britisch-Indien zahlreiche Tier- und Pflanzenarten untereinander austauschten. Sie experimentierten, ob sich die Arten in den neuen Ökosystemen heimisch machen und züchten ließen. Dabei standen nicht nur wissenschaftliche und wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt, es ging auch darum, die natürliche Umwelt in Australien, Afrika und Südasien zu „verbessern“ bzw. im europäischen Sinne zu „kultivieren“. So exportierten die Europäer beispielsweise Eukalyptus von Australien nach Südafrika, nach Australien hingegen wurden Kamele eingeführt, die ursprünglich aus Nord-Indien stammten.

Kamele wurden von Nord-Indien bzw. Pakistan nach Australien exportiert. Dort sollten die hitzefesten Tiere bei den Expeditionen ins Landesinnere helfen. Image credit: Walter Heubach (Source: Wikipedia)

Kamele wurden von Nord-Indien bzw. Pakistan nach Australien exportiert. Dort sollten die hitzefesten Tiere bei den Expeditionen ins Landesinnere helfen. Image credit: Walter Heubach (Source: Wikipedia)

„Diese in der Forschung bislang kaum beachteten Artentransfers zwischen den drei Kontinenten und die Netzwerke, von denen sie getragen wurden, analysiere ich in dem Projekt“, sagt Kirchberger. Ihr Ziel ist, die Geschichte des „ecological imperialism“ (ökologischen Imperialismus) um eine neue Dimension zu erweitern. Anhand der Korrespondenzen ausgewählter Wissenschaftler will sie die Netzwerke und Artentransfers zwischen Australien, Afrika und Südasien im Zusammenhang weiterreichender globaler Netzwerke charakterisieren und in Bezug auf die Artentransfers zwischen Kolonien und europäischen Metropolen untersuchen.

Sie betrachtet alle, die an den Transfers beteiligt waren – also europäische Wissenschaftler, nicht-europäische Experten, Tiere und Pflanzen – als Akteure mit jeweils eigener Wirkungsmacht. Dabei interessiert sie, wie sich im Kontext der Transfers die Beziehungen zwischen den Akteuren veränderten. Das geschah u. a., wenn die Wissenschaftler die Kontrolle über die eingeführten Tier- und Pflanzenarten verloren, weil sich eingeführte Arten ungehemmt vermehrten und bestehende Ökosysteme aus dem Gleichgewicht brachten.

Das führt schließlich zu der Frage, inwiefern sich eine Sensibilität für die Zerstörung von Umwelt und die Gefährdung von Ökosystemen bildete. Forderungen nach staatlichen Maßnahmen zum Naturschutz waren die Folge.

*Source: Universität Kassel

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