Wie Geflüchtete Ursachen von Traumatisierung erklären

Aktuelle Studie verweist auf Notwendigkeit von mehr Sensibilität bei Diagnose

Ein Forschungsteam um die Psychologinnen Ricarda Nater-Mewes von der Universität Wien und Freyja Grupp von der Universität Marburg setzt sich mit der Selbsteinschätzung von Geflüchteten zu Posttraumatischen Belastungsstörungen auseinander.

Die WissenschafterInnen haben herausgefunden, dass Personen aus Subsahara-Afrika zum einen typisch europäische Ansichten zu Ursachen der Erkrankung teilen, zum anderen führten die Geflüchteten aber auch religiöse und übernatürliche Erklärungen an. Solche Einschätzungen erscheinen EuropäerInnen eher ungewöhnlich, sind in Kulturen Subsahara-Afrikas aber durchaus üblich und kulturell akzeptiert. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychiatry publiziert.

Image credit: markusspiske (Source: Pixabay)

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Geflüchtete gelten als Hochrisikogruppe für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), da sie aus Kriegs- und Krisengebieten teils stark traumatisiert in Europa Zuflucht suchen. Aus psychologischer Sicht wird eine PTBS primär durch traumatische Erfahrungen ausgelöst, denen Geflüchtete sehr häufig ausgesetzt sind. Eine PTBS zeichnet sich beispielsweise durch Symptome, wie Alpträume, emotionale Abgestumpftheit, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und übermäßige Schreckhaftigkeit aus.

Für eine erfolgreiche Behandlung dieser Erkrankung ist es essentiell, den kulturellen Rahmen der Geflüchteten zu verstehen sowie kulturelle Überzeugungen und Erklärungen psychischer Erkrankungen zu berücksichtigen. Gerade Geflüchtete aus Subsahara-Afrika stellen eine Gruppe dar, die schon seit Jahren zu den größten Geflüchteten-Gruppen in Europa gehört.

Aus diesem Grund führten die ForscherInnen eine mehrteilige Studie durch und befragten Geflüchtete, die größtenteils aus Eritrea, Somalia und Kamerun stammen, was ihrer Meinung nach eine PTBS verursachen kann. Auf der einen Seite beschrieben die Geflüchteten die teilweise stark traumatischen Erlebnisse auf ihrer Flucht nach Europa und ihre schwierige Situation im Aufnahmeland als mögliche Ursachen. Diese geht häufig mit sozialer Isolation, Arbeitslosigkeit, finanziellen Schwierigkeiten und der Sorge um zurückgebliebene Familienmitglieder einher. Auf der anderen Seite führten sie auch religiöse Erklärungen wie den Willen Gottes oder mangelnden Glauben an, sowie übernatürliche Phänomene wie schwarze Magie, Verfluchungen oder die Besessenheit durch böse Geister.

Diese Ansichten mögen EuropäerInnen zunächst ungewöhnlich erscheinen, in Eritrea, Somalia und Kamerun wird eine solche Schlussfolgerung nicht nur als normal betrachtet, sondern ist auch gesellschaftlich und kulturell akzeptiert. Im Gegensatz dazu ist vielen MitarbeiterInnen im europäischen Gesundheitswesen nicht bewusst, dass solche Annahmen in den Herkunftsländern der Geflüchteten üblich sind. Durch das mangelnde Fachwissen über die kulturelle “Kodierung” von Symptomen kommt es zum Teil zu Stigmatisierungen, Fehldiagnosen und Falschbehandlungen bei betroffenen Personen. Diese werden zum Beispiel fälschlicherweise als psychotisch eingeschätzt werden, weil angenommen wird, dass sie wahnhafte Gedanken oder Halluzinationen hätten.

Die Ergebnisse des Forschungsteams machen deutlich, dass es wichtig ist, MitarbeiterInnen des Gesundheitswesens für transkulturelle Unterschiede zu sensibilisieren und hinsichtlich eines kultursensiblen Umgangs mit Geflüchteten zu schulen.

Publikation in “Frontiers in Psychiatry”:
Grupp, F., Moro, M. R., Nater, U. M., Skandrani, S. M., & Mewes, R. (2018). “It’s that route that makes us sick”: Exploring lay beliefs about causes of post-traumatic stress disorder among Sub-Saharan African asylum seekers in Germany. Frontiers in Psychiatry, 9, 628.
DOI: 10.3389/fpsyt.2018.00628

*Source: Universität Wien

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