Neue Schätze aus Tutanchamuns Grab

Tübinger Archäologen untersuchen in deutsch-ägyptischem Projekt erstmals Goldbleche aus dem berühmten Grabfund ‒ Motive zeigen überraschende Verbindungen zwischen Vorderasien und dem pharaonischen Ägypten

Tübinger Wissenschaftler haben in einem deutsch-ägyptischen Projekt erstmals die verzierten Goldbleche aus dem Schatz des Pharaos Tutanchamun untersucht. Die Objekte stammen aus dem berühmten Grabfund des englischen Archäologen Howard Carter im Jahr 1922 und waren bislang im Magazin des Ägyptischen Museums Kairo gelagert.

Seit Mittwoch sind sie nun in einer Sonderausstellung des Museums zu sehen: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für die Kulturen des Alten Orients der Universität Tübingen (IANES, Professor Peter Pfälzner), des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo (Professor Stephan Seidlmayer), des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz (RGZM, Professor Falko Daim) und des Ägyptischen Museums haben sie vier Jahre lang (2013-2017) wissenschaftlich untersucht. Das Projekt wurde vom deutschen Auswärtigen Amt und der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert.

Fragmente aus dem Grabfund: Die Goldbleche dienten vermutlich als dekorative Beschläge von Bogenkästen, Köchern und Zaumzeug. Fotograf credit: Christian Eckmann; Image copyright: RGZM, DAI Kairo und Universität Tübingen

Fragmente aus dem Grabfund: Die Goldbleche dienten vermutlich als dekorative Beschläge von Bogenkästen, Köchern und Zaumzeug. Fotograf credit: Christian Eckmann; Image copyright: RGZM, DAI Kairo und Universität Tübingen

In aufwändiger Laborarbeit hatten die Kooperationspartner die Objekte in den Räumen des Ägyptischen Museums restauriert, gezeichnet und wissenschaftlich umfassend bearbeitet. Das Team aus Restauratoren, Ägyptologen und Vorderasiatischen Archäologen fand die verzierten Goldbleche noch in derselben Kiste vor, in der sie Howard Carters Team unmittelbar nach der Entdeckung verstaut hatte. Die Funde wurden damals in unrestauriertem Zustand fotografiert und danach nie wieder ausgepackt.

Die Restauratoren Christian Eckmann und Katja Broschat vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz setzten aus den Fragmenten in jahrelanger Kleinarbeit 100 annähernd vollständige Goldbleche zusammen: Vermutlich handelt es sich um dekorative Beschläge von Bogenkästen, Köchern und Zaumzeug. Die Tübinger Archäologen des IANES untersuchten die Darstellungen auf den Goldblechen und ordneten sie kunstgeschichtlich ein. Doktorandin Julia Bertsch gelang es in ihrer Dissertation, ägyptische Motive auf den Goldblechen von solchen zu unterscheiden, die einem „internationalen“, orientalisch beeinflussten Motivkanon zuzurechnen sind.

Dazu zählen Darstellungen von Tierkämpfen und Ziegen am Lebensbaum, die der ägyptischen Kunst eigentlich fremd sind ‒ sie müssen aus dem Vorderen Orient nach Ägypten gekommen sein. „Vermutlich gelangten diese Motive, die einstmals in Mesopotamien entwickelt wurden, über Syrien in den Mittelmeerraum und nach Ägypten“, erklärt Peter Pfälzner. „Dies zeigt erneut die große Rolle, die das alte Syrien für die Kulturvermittlung in der Bronzezeit spielte.“

Interessanterweise hätten sich ähnliche Goldbleche mit thematisch vergleichbaren Darstellungen in der Gruft der syrischen Königsstadt Qaṭna gefunden. Dort hatte das Tübinger Archäologenteam unter Pfälzners Leitung im Jahr 2002 ein unangetastetes Königsgrab entdeckt. Es stammt aus der Zeit um 1340 v. Chr. und ist damit nur wenig älter als das Grab des Tutanchamun in Ägypten. „Diese Auffälligkeit gab den Anstoß für unser Projekt zu den ägyptischen Grabfunden“, erläutert der Wissenschaftler. Zu klären sei nun, auf welche Weise die fremden Motive der Goldbleche Aufnahme in Ägypten gefunden hätten. Aufschlussreich seien hier chemische Analysen: „Sie ergaben, dass die Goldbleche mit ägyptischen Motiven und die mit fremden Motiven aus unterschiedlich zusammengesetztem Goldmaterial hergestellt wurden. Dies muss allerdings nicht bedeuten, dass die Stücke importiert wurden. Es könnten auch unterschiedliche lokale Werkstätten für die Produktion in verschiedenen Stilen verantwortlich gewesen sein und eine der Werkstätten orientierte sich offensichtlich an vorderasiatischen Vorbildern.“

Nach der derzeitigen Erstpräsentation der Objekte in Kairo werden diese künftig im neuen Grand Egyptian Museum nahe den Pyramiden von Gizeh gezeigt. Mit der Arbeit der Tübinger Archäologen sowie Ägyptologen und Restauratoren aus Mainz und Kairo ist die wissenschaftliche Aufarbeitung der Objekte aus Ägyptens berühmtestem Grabfund nun abgeschlossen ‒ fast 100 Jahre nach seiner Entdeckung.

*Source: Universität Tübingen

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