Ruhe im Genom

Springende Gene sind beim Tasmanischen Teufel still gelegt

Im Erbgut höherer Säugetiere und Beuteltiere gibt es überraschend viele mobile Elemente. Diese sogenannten „springenden Gene“  sind beim Tasmanischen Teufel jedoch nicht mehr in der Lage, ihre Position im Genom zu verändern. Gleiches gilt für andere australische, nah verwandte Beuteltiere. Das geht aus einer experimentellen genetischen Analyse hervor, wie Senckenberg-Wissenschaftlerinnnen im Fachjournal „Genome Biology and Evolution“ schreiben. Das „Springen“ ist eine der Möglichkeiten, um die genetische Vielfalt einer Art zu erhöhen. Eine Deaktivierung dieses Mechanismus könnte dazu führen, dass sich die Tiere schlechter an veränderte Umweltbedingungen anpassen können.

Springende Gene“ wie die „LINE-1-Elemente“ haben die Fähigkeit sich selbst zu kopieren und an zufälliger Stelle im Erbgut wieder einzufügen. Wie Untersuchungen zeigen, machen diese Gene circa 15 bis 20 Prozent des Genoms höherer Säugetiere und Beuteltiere aus. Wenn sich „springende Gene“ an anderer Stelle wieder einbauen, verändern sie das Genom und treiben durch diese kleinen Anpassungen des Erbguts die Evolution voran.

Beim Tasmanischen Teufel sind eigentlich springende Gene stillgelegt. Image credit: © Wayne McLean ( jgritz) (Source: Wikipedia)

Beim Tasmanischen Teufel sind eigentlich springende Gene stillgelegt. Image credit: © Wayne McLean ( jgritz) (Source: Wikipedia)

Frankfurter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten jetzt nachweisen, dass die „springenden Gene“ im Erbgut des Tasmanischen Teufels zwar vorhanden sind, aber die Fähigkeit zum Kopieren und Einfügen verloren haben. „Es gibt beim Tasmanischen Teufel seit längerem keine LINE-1-Elemente, die sich in ihrem Zustand im Genom von selbst kopieren können, unter anderem weil das dafür notwendige Gen für das Schlüsselenzym – die Reverse Transkriptase – defekt ist. Auch bei den Schwesterarten – Schwarzschwanz-Beutelmarder und Fettschwanz-Beutelmaus – haben wir keine intakten Genkopien des Enzyms gefunden“, erklärt Dr. Maria Nilsson, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.

Im Rahmen der Studie hatte ein Team um Nachwuchsgruppenleiterin Nilsson mehrere hundert LINE-1-Elemente aus den Beuteltierarten sequenziert und hinsichtlich ihrer potentiellen Aktivität analysiert. Das Experiment bestätigt ihren Befund, der sich bereits vergangenes Jahr in einer Computeranalyse des kompletten Genoms des Tasmanischen Teufels angedeutet hatte. Durch das experimentelle Design konnten nun die letzten Zweifel am Ergebnis der computergestützten Analyse ausgeräumt werden.

Inaktive LINE-1-Elemente sind außer bei Beuteltieren im Rahmen anderer Studien nur noch in südamerikanischen Nagetieren, Flughunden und Erdhörnchen nachgewiesen worden. Allerdings tragen nicht alle Beuteltiere den hier beobachteten Gendefekt. Das nordamerikanische Oppossum, ein entfernter Verwandter von Tasmanischem Teufel, Beutelmarder & Co., besitzt viele aktive LINE-1-Elemente und nachweislich auch das intakte Gen. „Das könnte bedeuten, dass die Stilllegung ein genereller Trend bei australischen Beuteltieren ist. Bei deren gemeinsamen Vorfahren waren noch aktive LINE-1-Elemente vorhanden, die dann nach der Aufspaltung der Arten im Verlauf ihrer Evolution jeweils auch eigenständig inaktiv wurden“, erläutert Dr. Susanne Gallus, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.

Aktiv „springende Gene“ können möglicherweise durch ihre willkürliche Platzierung im Erbgut Gendefekte im Organismus verursachen. Dennoch macht eine Stilllegung nur auf den ersten Blick Sinn: Das chaotische Kopieren und Einfügen erhöht nämlich die genetische Vielfalt eines Organismus. Indem sich diese Elemente in oder in die Nähe von codierenden Bereichen von Genen einbauen, können sie Genfunktionen oder die Genexpression verändern. Beides ist Voraussetzung, um sich an neue Umweltbedingungen – beispielsweise steigende Temperaturen – anzupassen. Die Inaktivität der LINE-1-Elemente könnte daher in evolutionären Zeiträumen die Anpassungsfähigkeit bei Tasmanischem Teufel, Beutelmarder und Beutelmaus stark beeinflussen. Welche evolutiven Auswirkungen das Fehlen der genetischen Sprungfeder tatsächlich hat, ist nun die nächste Frage, der Dr. Nilsson und ihr Team nachgehen werden.

*Source: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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