Größe ist nicht alles

Wissenschaftler des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt haben gemeinsam mit einem internationalen Team verschiedene Anpassungsstrategien von Säugetieren und Vögeln an Temperaturänderungen untersucht. Dabei konnten sie die seit gut 60 Jahren geltende Annahme widerlegen, dass vor allem die Größe der Tiere für die Anpassung ausschlaggebend sei. Die Ergebnisse in der kürzlich im Fachjournal “Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) veröffentlichten Studie helfen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Tierwelt zu verstehen.

Die kleine Lapplandmeise (Poecile cinctus) fühlt sich in den kalten Regionen Skandinaviens und Sibiriens wohl, der Afrikanische Elefant bevölkert die heißen Steppen Westafrikas. „Das dürfte es laut dem Scholander-Irving-Modell überhaupt nicht geben“, erklärt Dr. Christian Hof vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt und fährt fort: „Das war für uns Anlass diese gut 60 Jahre alte Theorie genauer unter die Lupe zu nehmen.“

Gut an kalte Temperaturen angepasst: Die kleine Lapplandmeise (Poecile cinctus). Image credit:   © Open Source Wikipedia

Gut an kalte Temperaturen angepasst: Die kleine Lapplandmeise (Poecile cinctus). Image credit:
© Open Source Wikipedia

Ausgehend von der Fragestellung, wie Säugetiere und Vögel ihre Körpertemperatur nahezu konstant halten können, wenn sich die Außentemperatur – zum Teil drastisch – ändert, entwickelten in den 1950er Jahren die Biologen Laurence Irving und Per Scholander ein Modell der Wärmeregulierung bei arktischen Säugetieren. Ihre Theorie besagt, dass warmblütige Säugetiere und Vögel den Verlust von Wärme an die Umwelt durch wärmeerzeugende Stoffwechselprozesse ausgleichen. Sowohl die Rate der Stoffwechselprozesse als auch die Abgabe der Wärme nach außen werden maßgeblich von der Körpergröße beeinflusst. „Dies hätte laut dem seit 60 Jahren geltenden Modell zur Folge, dass große Tiere in kalten Regionen leben und kleine Tiere auf heiße Erdteile beschränkt sind – in der Realität sieht das aber anders aus“, erläutert Hof und fährt fort: „Kleine Säugetiere treten beispielsweise in den verschiedensten Lebensräumen mit Temperaturen von -35 Grad bis zu 45 Grad Celsius auf“.

Die Körpergröße allein erklärt die Anpassung an die unterschiedlichen Temperaturen demnach nicht. Der Frankfurter Biologe hierzu: „Als weiteren Faktor für die Anpassung konnten wir die thermische Leitfähigkeit identifizieren.“ Die Wärmeleitfähigkeit eines Tieres kann beispielsweise durch große Ohren, lange Beine oder einem dichten Pelz beeinflusst werden.

Ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Trevor Fristoe von der University of New Mexico hat hierfür 211 Vogel- und 178 Säugetierarten bezüglich ihrer Körpertemperatur und der Temperatur ihres Lebensraums untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass sich die Tiere sowohl durch die Anpassung ihres Stoffwechsels als auch der thermischen Leitfähigkeit auf die unterschiedlich temperierten Lebensräume einstellen konnten.

„Die Lapplandmeise konnte sich beispielsweise durch eine Steigerung ihrer körpereigenen Wärmeproduktion oder durch eine Reduktion ihrer thermischen Leitfähigkeit, beispielsweise durch ein warmes Gefieder, oder auch durch eine Kombination beider Faktoren an ihren eisigen Lebensraum anpassen“, erklärt Hof.

Um die Auswirkungen des Klimawandels nachzuvollziehen ist es wichtig zu wissen, welche Möglichkeiten Tiere haben sich an verschiedene Temperaturen anpassen. „Erst aufgrund der heute vorhandenen großen Datenmenge konnten wir zeigen, dass Lapplandmeise und Afrikanischer Elefant keine Ausnahmen sind und das Scholander-Irving-Modell widerlegen“, fügt Hof hinzu.

Publikation
Trevor S. Fristoe, Joseph R. Burger, Meghan A. Balk, Imran Khaliq, Christian Hof, and James H. Brown: Metabolic heat production and thermal conductance are mass-independent adaptations to thermal environment in birds and mammals, PNAS 2015 112 (52) 15934-15939; doi:10.1073/pnas.1521662112

*Source: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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