Ein riskantes Experiment

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll auf den Kopf gestellt werden:  Ab 2017 soll das bewährte System fester Vergütungssätze durch Ausschreibungen ersetzt werden.

Künftig würden dann nur jene Anlagenbetreiber gefördert, die den niedrigsten Aufpreis verlangen. Alle anderen gingen leer aus. Klingt wie ein kostenbewusstes System, birgt aber fatale Folgen: Die Bürgerenergiewende wäre am Ende, der Ausbau der Erneuerbaren würde verlangsamt und statt günstiger könnten die Erneuerbaren teurer werden.

Bürgerenergiewende ade

Steigt Deutschland auf ein Ausschreibungsmodell um, verliert die Energiewende einen ihrer stärksten Eckpfeiler: die Bürgerbeteiligung. Ein Grundsatz des bisherigen EEG sind Fördersätze, die auf 20 Jahre hinaus gesetzlich garantiert sind. Das hat privaten Haushalten die Planungssicherheit gegeben, mit der sie die Energiewende vorangetrieben haben. Bis heute wird die große Mehrheit Erneuerbarer Energien in Deutschland von kleinen Akteuren wie Energiegenossenschaften, Stadtwerken und privaten Haushalten erzeugt. Hunderttausende Bürger wurden von Stromverbrauchern zu Stromerzeugern. Entsprechend hoch ist die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung. Die großen Stromkonzerne hingegen beteiligen sich bislang kaum am Ausbau der Erneuerbaren.

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Nun droht der Wechsel zum Ausschreibungsmodell, die Energiewende aus der Hand der Bürger zu nehmen. Denn Ausschreibungen sind ein Instrument für Konzerne. Ein großer Stromversorger, der mehrere Projekte ins Rennen schickt und damit Risiken verteilt, kann es leicht verkraften, eine Ausschreibung zu verlieren und folglich keine Förderung zu bekommen. Für eine Energiegenossenschaft aber mit womöglich nur einem einzigen kleinen Projekt kann eine Niederlage bei der Ausschreibung schnell existenziell werden. Denn die Genossenschaft hat die Planungskosten für ihr Projekt vergeblich investiert. Mit einem Umstieg auf ein Ausschreibungsmodell riskiert die Bundesregierung demnach auch die Beteiligung der Bürger an der Energiewende – und damit auch die Akzeptanz der grünen Energierevolution.

Falscher Pilot

Ausschreibungen sind ein neues Modell. Deshalb will die Bundesregierung erst einmal testen. Ab 2015 soll die Förderung für Photovoltaik-Freiflächenanlagen ausgeschrieben werden. Doch damit hat sich die Politik den falschen Piloten ausgesucht. Das Segment liegt derzeit wegen schlechter Förderbedingungen am Boden. Seit der Reform der PV-Förderung im Jahr 2010 wurden so gut wie keine neuen Freiflächenanlagen zugebaut – vor allem, weil Ackerflächen seitdem tabu sind. Die gute Seite daran ist: Missglückt der Test, wird immerhin kein boomendes Segment abgewürgt. Die schlechte ist schwieriger zu erkennen, aber mindestens ebenso wichtig: Viele Unternehmen haben fertige Projektpläne für Freiflächenanlagen in der Schublade, die nach der Förderreform 2010 nicht mehr rentabel waren. Diese Unternehmen werden ihre alten Konzepte mit extrem geringen oder gar keinen Entwicklungskosten in das Rennen um die Förderung schicken. Zu erwarten sind verzerrte Preise, die deutlich unter den realen Kosten liegen und entsprechend wenig Aussagekraft haben werden. Dennoch ist zu erwarten, dass die unrealistischen Niedrigpreise in der politischen Debatte als Argument für die breite Einführung des Ausschreibungsmodells verwendet werden.

Zudem sind die Erfahrungen aus der Photovoltaik nicht auf Windenergieanlagen übertragbar. Denn hier sind die Bedingungen völlig andere. Planungs- und Bauzeiten etwa sind deutlich länger, was die Bundesregierung auch einräumt. Dennoch will sie die Ausschreibungen ab 2017 auf alle Erneuerbaren Energien ausweiten, ohne diese vorher in den verschiedenen Sektoren getestet zu haben. Das ist Politik ohne Datengrundlage, die die Energiewende als Projekt insgesamt gefährdet.

Einsparungen unwahrscheinlich

Ausschreibungen würden die Energiewende zudem nicht billiger machen. Ein vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten stellt fest, dass die Förderung für Anlagen auf Ackerflächen wieder möglich sein muss, um Kosteneinsparungen zu erreichen. Denn nur diese großen Projekte kommen mit einer erheblich geringeren Förderung pro erzeugter Kilowattstunde aus. Doch diese Überlegung findet sich schon heute im System der Einspeisetarife, die bei großen Anlagen niedriger sind. Zudem ist die Nutzung von Ackerflächen wegen der Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion hoch umstritten. Insbesondere die Unionsparteien haben sich im Jahr 2010 gegen PV-Anlagen auf Äckern ausgesprochen. Nun sollen diese erneut genutzt werden – es drohen also harte interne Auseinandersetzung in CDU und CSU. Nicht nur parteipolitisch, aus auch Umweltsicht sind solche Projekte kritikwürdig: Denn mit einer zusammenhängenden überbauten Fläche von bis zu 50 ha (entspricht rund 100 Fußballfeldern) drohen Akzeptanzprobleme zu entstehen und Fragen des Artenschutzes und des Landschaftsbildes immer akuter zu werden.

Hinzu kommt, dass die Wettbewerbssituation völlig unklar ist. Werden genug Anbieter an den Ausschreibungen teilnehmen um einen tatsächlichen Preiswettlauf anzuzetteln? Oder wird das Modell viele Akteure abschrecken, so dass auch teure Projekte einen Zuschlag bekommen? Dann würde das Ausschreibungsmodell die Energiewende nicht billiger sondern teurer machen: Die Gutachter des Ministeriums haben festgestellt, dass die vor der Auktion festgelegten Höchstpreise über den Einspeisetarifen liegen müssen. Bei sehr geringem Wettbewerb kann es also sein, dass die Förderung am Ende teurer wird als bislang.

Wer hat’s erfunden?

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird nicht müde zu betonen, die Einführung der Ausschreibung sei von der Europäischen Kommission gefordert. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Zwar will die EU die Förderung tatsächlich auf Ausschreibungen umstellen, aber diese Vorgabe gilt nicht für das deutsche EEG. Denn die Kommission fordert diese Umstellung in einer Leitlinie für staatliche Beihilfen. Da das EEG aber gar keine Beihilfe ist, betrifft die Regelung Deutschland nicht. Selbst wenn man der Ansicht wäre, die Regelung gelte auch für die deutsche Energiewende: Die Kommission sieht zahlreiche Ausnahmen für kleine Anlagen vor und will gar auf die Ausschreibungspflicht verzichten, wenn Mitgliedsstaaten nachweisen, dass Ausschreibungen ungeeignet sind. All diese Möglichkeiten scheint die Bundesregierung gar nicht erst nutzen zu wollen.

Es scheint also andere Gründe für den Systemwechsel zu geben. Scheinbar will Wirtschaftsminister Gabriel den großen Stromkonzernen erleichtern, an der Energiewende zu verdienen? Weil die Versorger die Energiewende bislang verschlafen haben, stehen sie heute wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Als System, das auf Großkonzerne zugeschnitten ist, würden Gabriels Ausschreibungen ihnen ein neues Geschäftsmodell verschaffen – auf Kosten der Bürgerenergiewende.

Aber auch der Wechsel zu Ausschreibungen birgt große Risiken. Denn die Umstellung auf Ausschreibungen für alle Erneuerbaren Energien findet 2017 statt – dem Jahr der nächsten Bundestagswahl. Beschädigen die Ausschreibungen das gesellschaftlich weithin unterstützte Projekt, werden die Wähler dafür den zuständigen Minister verantwortlich machen: Sigmar Gabriel.

*Source: Greenpeace.de

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