Wenn Poldi trifft, lässt das die Börse kalt

Fußballländerspiele beeinflussen Börsenkurse – so der spektakulär klingende Schluss einiger wissenschaftlicher Studien, die auch zur kommenden WM wieder viel diskutiert werden dürften. Unsinn, meinen zwei Wirtschaftswissenschaftler der Uni Kassel. In ihren Untersuchungen kommen sie zu Ergebnissen, die auf ganz andere Weise interessant sind.

Wenn ab Mitte Juni die Fußballnationalmannschaften von 32 Ländern um die Weltmeisterschaft spielen, wird wieder vom „Feel-Good Factor“ und dessen Auswirkungen auf die Börsenkurse die Rede sein. Ein Sieg der englischen Mannschaft, so die Aussage einiger Studien aus dem angelsächsischen Raum, lasse die Londoner Börsenkurse ansteigen, ein Sieg der DFB-Elf den Dax; verliere die deutsche Elf, schicke dies umgekehrt die Frankfurter Börsenkurse in den Keller. Angesichts der Fahnenmeere und Autorkorsos nach einen WM-Sieg sind euphorisierte und daher risikofreudige Anleger leicht vorstellbar. Nur: „Die Annahme, es bestehe ein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen eines Nationalteams und den Börsenkursen, ist falsch“, stellt Prof. Dr. Christian Klein klar, Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung an der Universität Kassel. „Studien, die hier einen Zusammenhang herstellen, zeigen in Wirklichkeit etwas ganz anderes.“

Prof. Dr. Christian Klein (Foto credit: Uni Kassel)

Prof. Dr. Christian Klein (Foto credit: Uni Kassel)

Zusammen mit seinem Mitarbeiter Dr. Bernhard Zwergel hat er bereits vor einigen Jahren eine Studie aus England überprüft, die gerade vor Welt- und Europameisterschaften immer wieder zitiert wird, und dabei grundlegende Fehler festgestellt. „So wurden K.O.- Spiele, die nach 90 Minuten unentschieden standen, als Remis gewertet. Für den Feel-Good Factor dürfte aber doch das Endergebnis nach Verlängerung oder Elfmeterschießen viel entscheidender sein“, so Klein. Auch dass Börsen an Feiertagen geschlossen haben, sei nicht berücksichtigt worden, die Entwicklung der Kurse am Tag nach einem Fußballspiel sei entsprechend verfälscht – um nur einige Fehler zu nennen.

Klein und Zwergel legten 2009 eine umfassende eigene Studie vor, die WM-, EM- und Qualifikationsspiele der Jahre 1990 bis 2006 einbezog, und zwar von Belgien, Tschechien, Dänemark, England, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, Holland und der Türkei. Anhand gleich mehrerer statistischer Modelle prüften sie einen Zusammenhang der Performance von Fußballteam und Börsenkurs. Ergebnis: Es gibt keinen. „Selbst besonders überraschende Resultate wie das 1:2 gegen Tschechien, mit dem die DFB-Elf 2004 aus dem EM-Turnier flog, haben keinen Einfluss auf die Kurse“, so Klein. „Warum auch? Ein Großteil des Handelsvolumens an den großen Börsen geht inzwischen von ausländischen Anlegern aus. Es mag psychologische Faktoren geben, die die Börsen beeinflussen: etwa wenn lange Zeit schönes Wetter herrscht. Fußballergebnisse gehören aber nicht dazu“, hält Klein fest.

Vielsagende Ergebnisse brachte aber eine Gegenprobe der beiden Wirtschaftswissenschaftler: „Länderspiele produzieren einen großen Datensatz, der sich mit einer Vielzahl von statistischen Methoden analysieren lässt. Als wir versuchten, bestimmte gewünschte Aussagen zu produzieren, fanden wir dafür immer einen Weg“, so Klein. „Das rückt ein Problem bei vielen solchen Studien in den Blickpunkt: Es ist immer einfacher, Aufmerksamkeit für spektakuläre Aussagen zu erhalten, als für das Ergebnis, dass es kein Ergebnis gibt.“

*Source: Universität Kassel

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