Zukunftsthema Infektionskrankheiten – zwei neue Forschungsprojekte im Bereich Medizinische Biodiversität und Parasitologie

In Zeiten des Globalen Wandels finden zahlreiche Krankheitserreger und -überträger ihren Weg in neue Lebensräume. Auch zeigen sich gänzlich neuartige Krankheiten und treten häufig erst mit zeitlicher Verzögerung in den Industrieländern auf. Lebensweisen, Umweltbedingungen und Wirt-Erreger-Interaktionen beeinflussen dabei die Ausbreitungsmechanismen. Die Frankfurter Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Sven Klimpel (Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum und Goethe-Universität) trägt nun mit zwei neuen Projekten, einer Graduiertenschule und einem BiodivERsA-Projekt, zum Verständnis der komplexen Zusammenhänge bei.

Infektionskrankheiten sind die weltweit häufigste Todesursache: Im Jahr 2001 starben laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ca. 14,9 Millionen Menschen daran. Dies entspricht etwa 26 % aller Todesfälle. In den Industrieländern konnten im Verlauf des 20. Jahrhunderts viele Infektionskrankheiten durch verbesserte Lebensbedingungen und Hygiene sowie den medizinischen Fortschritt zurückgedrängt werden. Seit einigen Jahrzehnten spielen hier jedoch neu oder wieder auftretende Infektionskrankheiten und durch Vektoren, also andere Organismen (z.B. blutsaugende Insekten), übertragene Krankheiten eine zunehmende Rolle. Etliche dieser Erreger wurden erst in den letzten Jahrzehnten entdeckt, wie z.B. das Humane Immundefizienz-Virus (HIV), Hanta-Viren, sowie virale Erreger hämorrhagischer Fieber, z.B. das Ebola- oder Marburg-Virus. Die hohe Mobilität der Menschen und der weltweite Handel schaffen vielfältige Übertragungswege: Von einer einzigen Infektionsquelle ausgehend können Personen in verschiedenen Ländern infiziert werden. Die rapide globale Ausbreitung des SARS-Erregers (Severe acute respiratory syndrome) im Winter 2002/2003 ist ein aktuelles Beispiel für diese globale Bedrohung.

Wissenschaftlicher Nachwuchs bei der parasitologischen Aufarbeitung von Proben im Labor Bild credit: S. Klimpel

Wissenschaftlicher Nachwuchs bei der parasitologischen Aufarbeitung von Proben im Labor Bild credit: S. Klimpel

Vielfältige Ursachen für ein globales Problem

Das neue, erneute oder vermehrte Auftreten von Infektionskrankheiten resultiert aus einer komplexen Beziehung zwischen Umwelt, Wirt und Erreger. Relevant sind dafür neben der Globalisierung auch ökologische, landwirtschaftliche und sozioökonomische Veränderungen sowie Missstände in der Lebensmittelproduktion und Gesundheitsversorgung. Ökologische Veränderungen oder auch der Klimawandel betreffen beispielsweise die Habitate von Wirbeltieren oder Gliederfüßern (z.B. Stechmücken), welche Erreger auf den Menschen übertragen. Auch wird die Entstehung und Verbreitung neu oder wieder auftretender Infektionskrankheiten durch Veränderungen des Verhaltens des potentiellen Wirtes “Mensch“ begünstigt. Außer der Ernährung, der Freizeitaktivität und der Reisetätigkeit spielen dabei der Medikamentenkonsum und der Gebrauch von Drogen eine wichtige Rolle.

Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, ist eine kontinuierliche Erforschung dieser Zusammenhänge und die Ausbildung qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler essentiell. Prof. Dr. Sven Klimpel und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Goethe-Universität Frankfurt, des LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F) und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, lehren und forschen zu dieser Thematik und sind in diesem Kontext an zwei Großprojekten mit jeweils drei Jahren Laufzeit beteiligt.

Gut ausgebildeter Nachwuchs als Zukunftskapital

Die Leibniz-Gemeinschaft fördert mit einer Million Euro die Graduiertenschule International Multidisciplinary Parasitology and Vector Biology (IMPact-Vector), an der sich neben den Frankfurter Einrichtungen Leibniz-Institute in Hamburg (Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin, BNITM) und Berlin (Institut für Zoo- und Wildtierforschung, IZW, und Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, IGB) beteiligen. Die Graduiertenschule soll dem Nachwuchsrückgang in den Fachgebieten Infektionsbiologie und Parasitologie entgegenwirken und sicherstellen, dass die dringend benötigte wissenschaftliche Expertise auch künftig zur Verfügung steht. Inhaltlich geht es um die Erforschung von Infektionsprozessen unter Einbeziehung von Vektoren und Zwischenwirten, und zwar in unterschiedlichen Öko- und Modell-Systemen. Ziel der Ausbildung ist der Erwerb spezieller Kenntnisse über parasitologische, entomologische, molekulare und epidemiologische Aspekte vektorassoziierter Infektionskrankheiten und Parasitosen.

Grenzübergreifende Forschung für grenzüberschreitende Themen

Im Rahmen der europäischen Fördermaßnahme ERA-Net BiodivERsA wird außerdem ein Verbundprojekt mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Frankreich und Österreich gefördert. Unter dem Titel „Globaler Wandel und invasive Stechmücken als Infektionskrankheitsrisiko in Europa“ stehen die Auswirkungen invasiver Stechmückenarten im Fokus. Dem Projekt stehen dafür rund 1,2 Mill. Euro zur Verfügung, mit denen die Übertragungswege von Infektionskrankheiten durch Mücken sowie die genetische Vielfalt, geographische Verbreitung und Klimatoleranz der neu in Europa auftretenden Mückenarten erforscht werden. „Stechmücken gelten weltweit als die wichtigsten Überträger vektor-assoziierter Infektionserreger“, resümiert Klimpel. „Durch den globalen Wandel eröffnen sich für viele Arten neue Lebensräume. Die absehbar bedeutendste Rolle in Europa spielen dabei Invasoren wie die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), Asiatische Buschmücke (Ochlerotatus japonicus) und die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti). Dank der eingeworbenen EU-Mittel können wir uns jetzt grenzübergreifend mit diesem ganz Europa betreffenden Thema beschäftigen.“

Mit dem Programm ERA-Net BiodivERsA (European Research Area, ERA) fördert die Europäische Kommission die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Forschungsförderinstitutionen; dies ist ein Hauptinstrument für das Zusammenwachsen des Europäischen Forschungsraums. Dank der hier aufgebauten europäischen Netzwerke können die nationalen und regionalen Forschungsaktivitäten besser koordiniert werden, um die Fragmentierung des Europäischen Forschungsraums zu überwinden. BiodivERsA ist ein derartiges Großprojekt, in dem die europäische Förderstrategie für Biodiversitätsforschung weiter vorangetrieben wird.

*Source: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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