Was den Fadenwurm müde macht

Göttinger Max-Planck-Forscher entdecken wichtigen moleularen Schalter, der das Tier von Wachsein auf “Schlaf” programmiert

Warum schlafen Menschen und auch viele Tiere? Unser Wissen ist noch immer lückenhaft, wenn es um den Ursprung und die Funktion des Schlafes geht. Doch so viel ist klar: Alle Lebewesen, die über ein Nervensystem verfügen, müssen schlafen, um zu überleben. Dies gilt auch für den Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Forscher um Henrik Bringmann vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie haben jetzt einen Faktor entdeckt, der die Fadenwurm-Larve vom wachen in einen schlafähnlichen Zustand versetzt. Da auch in Wirbeltieren ähnliche Mechanismen wirksam sind, könnten die Forschungsergebnisse zu wichtigen neuen Erkenntnissen in der Schlafforschung führen. (Current Biology, 29. Oktober 2013)

Eine durchwachte Nacht rächt sich:  Am nächsten Tag können wir uns schlecht konzentrieren, fühlen uns gereizt und abgeschlagen und unser Stoffwechsel ist aus dem Gleichgewicht. Die teils gravierenden Folgen von zu wenig Schlaf machen deutlich, wie wichtig dieser Ruhezustand für unseren Körper ist. Unser Wissen über die Ursache und Funktion des Schlafes ist allerdings noch immer äußerst bruchstückhaft.

Wichtige neue Erkenntnisse zum Schlaf verspricht ausgerechnet ein kleiner Fadenwurm namens Caenorhabditis elegans, den sich  auch Schlafforscher Henrik Bringmann vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie für seine Forschung zunutze macht. Denn auch der ein Millimeter große Wurm durchlebt während seiner Entwicklung vier schlafähnliche Zustände. Nach jeder dieser Ruhephasen häutet sich das Tier. Ähnlich wie ein schlafender Mensch ist die Larve dabei entspannter und reagiert weniger sensibel auf äußere Reize. Zudem nimmt die Aktivität ihrer Nervenzellen deutlich ab. Anders als bei den meisten Tieren und uns Menschen wird der Schlaf-Wach-Rhythmus der Wurmlarve aber nicht durch den äußeren Tag-Nacht-Zyklus gesteuert, sondern durch seinen Häutungsrhythmus. Stört man den Wurm während seiner Ruhephasen, können auch hier die Folgen schwerwiegend sein: Das Tier leidet unter Schlafstörungen, es kommt zu Defekten beim Häuten und die fehlende Ruhe kann schließlich zum Tod der Larve führen.

Die Aktivität der Nervenzellen des Fadenwurms Caenorhabditis elegans im Wachzustand (rot) und im Schlaf (grün). Image credit: © Bringmann / Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

Die Aktivität der Nervenzellen des Fadenwurms Caenorhabditis elegans im Wachzustand (rot) und im Schlaf (grün). Image credit: © Bringmann / Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

Auf Schlaf programmiert

Das Forscherteam um Bringmann hat jetzt in einem aufwendigen Genscreen einen wichtigen molekularen Schalter namens aptf-1 identifiziert, der den Wurm vom wachen in den schlafähnlichen Zustand versetzt. „Dieser Schalter kommt nur in fünf der insgesamt rund 300 Nervenzellen des Fadenwurms vor“, erklärt Bringmann. Wie sein Team herausfand, wirkt aptf-1 aber nur in einer einzigen Nervenzelle – RIS genannt – tatsächlich schlaffördernd. Aktiviert das aptf-1 die RIS-Nervenzelle, „programmiert“ diese die Larve auf „Schlaf“. Gestörte Ruhephasen sind die Folge, wenn man dem Fadenwurm die RIS-Nervenzelle entfernt. 

Vergleichbare schlaffördernde Mechanismen kommen auch bei Wirbeltieren vor. „Uns interessiert daher, ob diese auch bei höheren Tieren für den Übergang von Wachsein zu Schlaf sorgen“, so Forschungsgruppenleiter Bringmann. Ein Indiz hierfür ist das Char-Syndrom beim Menschen. Betroffene weisen eine Gen-Mutation des AP2ß-Proteins auf, das mit dem aptf-1 verwandt ist. Als Symptome dieser seltenen Erkrankung treten unter anderem Schlafstörungen wie Schlafwandeln und eine deutlich reduzierte Schlafdauer auf. „Ob der schlafähnliche Zustand des Fadenwurms und der Schlaf des Menschen tatsächlich einen gemeinsamen Ursprung in der Evolution haben, müssen weitere Untersuchungen der genauen Steuerung der Schlafkontrollmechanismen zeigen“, so Schlafforscher Bringmann. (ms/cr)

*Source: Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

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